Am kommenden Donnerstag
startet das Donaufestival in seine mittlerweile neunte Saison
- An sechs Tagen regieren in
Krems Subkultur und Avantgarde
Die Zeit des großen thematischen
Überbaus ist in Krems zumindest vorläufig vorbei. Nachdem das am östlichen Rand
der Wachau angesiedelte Donaufestival seine Grundidee im Verweben von Musik,
Kunst, Film, Theater und Performance auf Subkultur- und
Avantgarde-Basis acht Saisonen lang ausdefinierte – um dabei auf
programmatische Titel wie etwa „Nodes, Roots & Shoots“ zu setzen –,
lautet das Motto mit einem bemühten Wortspiel heuer schlicht „Krèms brûlée“.
Vorstellungsrunden
Das mag nun auch sein Gutes
haben. Immerhin konnten zuletzt längst nicht alle auftretenden Acts dem
inhaltlichen Leitfaden entsprechen – wobei sich nicht nur bei großen Namen der
Wille wohl in Grenzen hielt, abseits des einstudierten Programms ebenso
exklusiv wie wagemutig für Krems zu produzieren. Gerade auch in der gut und
gerne vertretenen sogenannten experimentellen elektronischen Musik wird zwar
viel ausprobiert, allerdings bevorzugt im sicheren Hafen des Studios, von wo
aus es mit dem Laptop im Handgepäck und unter entsprechend strikt vorgegebenen
Parametern auf Dienstreise geht.
Weitgehend auch ohne das zuletzt
gepflegte Kuratorenmodell, das die Künstlerkollegenschaft mit Themenabenden
zueinander führte, steht heuer also das kreative Selbst im Vordergrund, das mit
Werkschauen und Vorstellungsrunden gleichermaßen vertreten ist. Nicht nur geht
es dem Donaufestival und seinem Intendanten Tomas Zierhofer-Kin auch heuer
darum, mit den akut modischen Nischenmusiken unverbrauchter Klangforscher noch
zu Entdeckendem eine Bühne zu geben. Womöglich mehr denn je wird auch die
Avantgarde vergangener Tage beleuchtet, die in Form alter Helden an
seinerzeitige Großtaten erinnert.
Das bedeutet, dass das
sechstägige Festival ab kommender Woche Labels wie die in Berlin um „Sound Art“
bemühten Pan Records oder Tri Angle Records aus London und deren dustere, dem
Witch-House-Genre nur ungern zugerechnete Acts mit Showcases vorstellen wird.
Aus den elaborierten Klängen atmen dabei aber auch bereits erhebliche
Popambitionen, wie etwa der Auftritt des für den „BBC Sound Of 2013“-Poll
nominierten Duos AlunaGeorge beweisen sollte. Neben einem Gastspiel der
Laptop-Schreiberin Holly Herndon oder dem spinnerten Rock von Zs, deren
Prog-Ansatz auch Free Jazz ins Werk eingemeindet, steht aber auch
vergleichsweise sanft gebrochene Indie-Musik auf dem Programm. Die
Parenthetical Girls sind mit ihrem Kammerpop etwa ebenso vertreten wie die
Suuns und ihre Formenspiele oder !!! und deren groovelastiger Funk.
Krautrock-Schau
Worauf der Krautrock-Einfluss
zurückgeht, der zahllosen gegenwärtigen Bands zwischen London und New York
nachgesagt wird, erklärt Michael Rother am Ende des Eröffnungstags. Gemeinsam
mit dem 2008 verstorbenen Schlagzeuger Klaus Dinger war das einstige
Kraftwerk-Mitglied schließlich nichts weniger als die treibende Kraft der
gleichfalls aus Düsseldorf stammenden Band Neu!, deren trocken-repetitiver und
von entschlackt-atmosphärischen Studioexperimenten durchzogener Sound als
mindestens stilprägend gilt – im Konzert wird Rother zudem an seine
elektronische Vorarbeit mit Hans-Joachim Roedelius als Harmonia sowie an seine
überwiegend instrumentalen Soloalben erinnern. Mit seinem wiederbelebten Hotel
Morphila Orchester und einem in Kooperation mit dem Karlsruher Zentrum für
Kunst und Medientechnologie (ZKM) gestalteten „3D-Rausch-Konzert“ wiederum
dürfte Peter Weibel am gleichen Tag der Ursprungsintention des Festivals wohl
am nächsten kommen.
Böse alte Männer, die David Yow
oder vor allem auch Mark Stewart und Martin Rev heißen, sorgen zudem für den
nötigen Punk-Gestus. Man sieht es schon: Langweilig wird es in Krems auch heuer
nicht werden.
(Wiener Zeitung, 20./21.4.2013)
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