Freitag, April 19, 2013

Alte Männer, neue Kräfte

Am kommenden Donnerstag startet das Donaufestival in seine mittlerweile neunte Saison

- An sechs Tagen regieren in Krems Subkultur und Avantgarde 

Die Zeit des großen thematischen Überbaus ist in Krems zumindest vorläufig vorbei. Nachdem das am östlichen Rand der Wachau angesiedelte Donaufestival seine Grundidee im Verweben von Musik, Kunst, Film, Theater und Performance auf Subkultur- und Avantgarde-Basis acht Saisonen lang ausdefinierte – um dabei auf programmatische Titel wie etwa „Nodes, Roots & Shoots“ zu setzen –, lautet das Motto mit einem bemühten Wortspiel heuer schlicht „Krèms brûlée“. 

Vorstellungsrunden 

Das mag nun auch sein Gutes haben. Immerhin konnten zuletzt längst nicht alle auftretenden Acts dem inhaltlichen Leitfaden entsprechen – wobei sich nicht nur bei großen Namen der Wille wohl in Grenzen hielt, abseits des einstudierten Programms ebenso exklusiv wie wagemutig für Krems zu produzieren. Gerade auch in der gut und gerne vertretenen sogenannten experimentellen elektronischen Musik wird zwar viel ausprobiert, allerdings bevorzugt im sicheren Hafen des Studios, von wo aus es mit dem Laptop im Handgepäck und unter entsprechend strikt vorgegebenen Parametern auf Dienstreise geht.

Weitgehend auch ohne das zuletzt gepflegte Kuratorenmodell, das die Künstlerkollegenschaft mit Themenabenden zueinander führte, steht heuer also das kreative Selbst im Vordergrund, das mit Werkschauen und Vorstellungsrunden gleichermaßen vertreten ist. Nicht nur geht es dem Donaufestival und seinem Intendanten Tomas Zierhofer-Kin auch heuer darum, mit den akut modischen Nischenmusiken unverbrauchter Klangforscher noch zu Entdeckendem eine Bühne zu geben. Womöglich mehr denn je wird auch die Avantgarde vergangener Tage beleuchtet, die in Form alter Helden an seinerzeitige Großtaten erinnert.

Das bedeutet, dass das sechstägige Festival ab kommender Woche Labels wie die in Berlin um „Sound Art“ bemühten Pan Records oder Tri Angle Records aus London und deren dustere, dem Witch-House-Genre nur ungern zugerechnete Acts mit Showcases vorstellen wird. Aus den elaborierten Klängen atmen dabei aber auch bereits erhebliche Popambitionen, wie etwa der Auftritt des für den „BBC Sound Of 2013“-Poll nominierten Duos AlunaGeorge beweisen sollte. Neben einem Gastspiel der Laptop-Schreiberin Holly Herndon oder dem spinnerten Rock von Zs, deren Prog-Ansatz auch Free Jazz ins Werk eingemeindet, steht aber auch vergleichsweise sanft gebrochene Indie-Musik auf dem Programm. Die Parenthetical Girls sind mit ihrem Kammerpop etwa ebenso vertreten wie die Suuns und ihre Formenspiele oder !!! und deren groovelastiger Funk. 

Krautrock-Schau 

Worauf der Krautrock-Einfluss zurückgeht, der zahllosen gegenwärtigen Bands zwischen London und New York nachgesagt wird, erklärt Michael Rother am Ende des Eröffnungstags. Gemeinsam mit dem 2008 verstorbenen Schlagzeuger Klaus Dinger war das einstige Kraftwerk-Mitglied schließlich nichts weniger als die treibende Kraft der gleichfalls aus Düsseldorf stammenden Band Neu!, deren trocken-repetitiver und von entschlackt-atmosphärischen Studioexperimenten durchzogener Sound als mindestens stilprägend gilt – im Konzert wird Rother zudem an seine elektronische Vorarbeit mit Hans-Joachim Roedelius als Harmonia sowie an seine überwiegend instrumentalen Soloalben erinnern. Mit seinem wiederbelebten Hotel Morphila Orchester und einem in Kooperation mit dem Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) gestalteten „3D-Rausch-Konzert“ wiederum dürfte Peter Weibel am gleichen Tag der Ursprungsintention des Festivals wohl am nächsten kommen. 

Böse alte Männer, die David Yow oder vor allem auch Mark Stewart und Martin Rev heißen, sorgen zudem für den nötigen Punk-Gestus. Man sieht es schon: Langweilig wird es in Krems auch heuer nicht werden. 

(Wiener Zeitung, 20./21.4.2013)

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