Donnerstag, April 18, 2013

Einmal Hansi auf Rezept

Am Abend seines 84. Geburtstags gastierte James Last live in Wien 

Es beginnt mit einem Signal an die Jugend, die den Weg in die Wiener Stadthalle dann doch nicht gefunden hat, um lieber drüben beim Baumeister partyzurocken. Mit „Ruf mich an“ wird das von James Last am Abend seines 84. Geburtstags gegebene, zweite Konzert seiner „The Last Tour“ schließlich von einem Song eröffnet, der den Mann aus dem elterlichen Plattenschrank im Jahre 1999 plötzlich cool machen sollte. Das wäre fast gut gegangen – zumindest unsympathisch aber konnte man den einstigen Bremer Stadtmusikanten mit dem seligen Lächeln unter dem vielen Schnauzbart nicht finden. 

Pensionisten-Polonaise 

Vor den gut 5000 Besuchern seines Sitzkonzerts in Wien beklagt der vor allem für dezente Neu-Arrangements aktueller ihm genehmer Welthits im Sinne von Jahrhundert- und Traummelodien bekannte Band-Leader zunächst den Mangel an „Toptiteln“, der ihm die Arbeit am aktuellen Programm erheblich erschwerte. Die Welt sei zwar schnell und schnelllebig geworden, der von ihm sehnlich erwartete Nachschub von Lady Gaga ließe dann aber doch auf sich warten, weshalb Namen wie Adele oder Pink herhalten müssen, wenn James Hansi Last bezüglich seiner Am-Ball-Bleibung Neugierde, Aufgeschlossenheit und ewige Jugend demonstrieren will. „Party Rock Anthem“, der ein- und ausgangs erklingende Hit aus der Proletendisco, erweist sich im zwecks Pensionisten-Polonaise gegebenen „Rosamunde“-Mash-up allerdings als mindestens geschmackssicher, sofern man ihn mit den Texhages-Abverkaufs-Anzügen und den darunter versteckten Kurzarmhemden vergleicht, mit denen der Maestro die Zeitreise antritt und seine Bläser als Opel-Verkäufer von 1975 auflaufen lässt.

Auch weil man sich im Publikum schwertut, einen Vierviertel-Takt über die Eins hinaus rhythmisch zu klatschen, sind diese und ähnliche Äußerlichkeiten aber egal. Wie immer seit Lasts Erfindung des „Happy Sound“ als Erfolgsgarant in Sachen „Non Stop Dancing“ geht es um nichts weniger als um Glück, Zufriedenheit und gute Laune. Die Sorgen im Büro zwischen die Pappordner stellen. Urlaub buchen nach Jesolo. Schweinebraten essen am Meeresstrand. James Lasts mit 16 Streichern, acht Bläsern und vier LKW-Ladungen Dopamin bestückte Big Band erfüllt die vermutete Vertragsklausel, nach der alle lächeln und supergut drauf sein wollen müssen. Entsprechend bald wird am „Traumschiff“ eingecheckt, dessen von Last geschriebene Titelmelodie zwischen sedierenden Streichern, auf „Vangelis“ gestellten Synthie-Presets und einer nicht hörbaren Modern-Talking-Gitarre keine Wünsche mehr offen lässt. Die Gitarre tritt übrigens bei einem Präludium von Johannes Sebastian Bach in den Vordergrund, bei dem auch der Schlagzeuger Dienst leisten darf. Und sie zerspielt „Safe Me From Myself“ mit einem Dauersolo exakt so, wie Christina Aguilera die Nummer zersingen würde. 

Clip-Art-Ästhetik 

Musikalisch geht es über die Subgenres Discowumme, irische Hinterlandfolklore und Kölle Alaaf auch noch hin zu Gospelswing, „You Are So Beautiful“ und mit dem einen Strauß ins Walzerreich des Konzertaustragungslands, während die Clip-Art-Ästhetik auf der Videowall ans Microsoft-Word-Programm denken lässt und gut mit den als Pyrotechnik getarnten Spritzkerzen am Bühnenrand korrespondiert. Nur keine Panik! Das bevorzugte Gesprächsthema in der Pause ist Blutverdünnung.

Am Ende tanzt das Orchester die Polonaise rund um James Last, der seiner Zweifingertechnik zum Trotz im Konzert keine Einsätze gibt und lieber die dankenswerterweise vor ihm drapierte Cellistin in Blond und Schottenrock bei der Arbeit studiert. Nach zwei Stunden und 15 Minuten sind alle glücklich, als es vorbei ist. Keine Tränen mehr. Die Psychopharmaka bleiben im Hosensack. Wir fordern einmal Hansi auf Rezept!

 (Wiener Zeitung, 19.4.2013)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sg Hr Rauschal
Schade, dass Sie musikalisch wirklich ein Neuling sind, um solches Statements über die Musik von James Last abzugeben. Leider konnte ich Ihren Namen in der Besetzungsliste des Orchesters nicht finden.
An Ihrer Stelle würde ich mich besser über Orchesterarrangements und Phrasierungen der Melodien informieren.
Mit freudlichen Grüssen !