Am
Abend seines 84. Geburtstags gastierte James Last live in Wien
Es
beginnt mit einem Signal an die Jugend, die den Weg in die Wiener Stadthalle
dann doch nicht gefunden hat, um lieber drüben beim Baumeister partyzurocken.
Mit „Ruf mich an“ wird das von James Last am Abend seines 84. Geburtstags
gegebene, zweite Konzert seiner „The Last Tour“ schließlich von einem Song
eröffnet, der den Mann aus dem elterlichen Plattenschrank im Jahre 1999 plötzlich
cool machen sollte. Das wäre fast gut gegangen – zumindest unsympathisch aber konnte
man den einstigen Bremer Stadtmusikanten mit dem seligen Lächeln unter dem vielen
Schnauzbart nicht finden.
Pensionisten-Polonaise
Vor
den gut 5000 Besuchern seines Sitzkonzerts in Wien beklagt der vor allem für
dezente Neu-Arrangements aktueller ihm genehmer Welthits im Sinne von
Jahrhundert- und Traummelodien bekannte Band-Leader zunächst den Mangel an
„Toptiteln“, der ihm die Arbeit am aktuellen Programm erheblich erschwerte. Die
Welt sei zwar schnell und schnelllebig geworden, der von ihm sehnlich erwartete
Nachschub von Lady Gaga ließe dann aber doch auf sich warten, weshalb Namen wie
Adele oder Pink herhalten müssen, wenn James Hansi Last bezüglich seiner
Am-Ball-Bleibung Neugierde, Aufgeschlossenheit und ewige Jugend demonstrieren
will. „Party Rock Anthem“, der ein- und ausgangs erklingende Hit aus der Proletendisco,
erweist sich im zwecks Pensionisten-Polonaise gegebenen „Rosamunde“-Mash-up
allerdings als mindestens geschmackssicher, sofern man ihn mit den Texhages-Abverkaufs-Anzügen
und den darunter versteckten Kurzarmhemden vergleicht, mit denen der Maestro
die Zeitreise antritt und seine Bläser als Opel-Verkäufer von 1975 auflaufen
lässt.
Auch
weil man sich im Publikum schwertut, einen Vierviertel-Takt über die Eins
hinaus rhythmisch zu klatschen, sind diese und ähnliche Äußerlichkeiten aber egal.
Wie immer seit Lasts Erfindung des „Happy Sound“ als Erfolgsgarant in Sachen
„Non Stop Dancing“ geht es um nichts weniger als um Glück, Zufriedenheit und
gute Laune. Die Sorgen im Büro zwischen die Pappordner stellen. Urlaub buchen
nach Jesolo. Schweinebraten essen am Meeresstrand. James Lasts mit 16
Streichern, acht Bläsern und vier LKW-Ladungen Dopamin bestückte Big Band erfüllt
die vermutete Vertragsklausel, nach der alle lächeln und supergut drauf sein
wollen müssen. Entsprechend bald wird am „Traumschiff“ eingecheckt, dessen von
Last geschriebene Titelmelodie zwischen sedierenden Streichern, auf „Vangelis“
gestellten Synthie-Presets und einer nicht hörbaren Modern-Talking-Gitarre
keine Wünsche mehr offen lässt. Die Gitarre tritt übrigens bei einem Präludium
von Johannes Sebastian Bach in den Vordergrund, bei dem auch der Schlagzeuger Dienst
leisten darf. Und sie zerspielt „Safe Me From Myself“ mit einem Dauersolo exakt
so, wie Christina Aguilera die Nummer zersingen würde.
Clip-Art-Ästhetik
Musikalisch
geht es über die Subgenres Discowumme, irische Hinterlandfolklore und Kölle
Alaaf auch noch hin zu Gospelswing, „You Are So Beautiful“ und mit dem einen Strauß
ins Walzerreich des Konzertaustragungslands, während die Clip-Art-Ästhetik auf der
Videowall ans Microsoft-Word-Programm denken lässt und gut mit den als
Pyrotechnik getarnten Spritzkerzen am Bühnenrand korrespondiert. Nur keine
Panik! Das bevorzugte Gesprächsthema in der Pause ist Blutverdünnung.
Am
Ende tanzt das Orchester die Polonaise rund um James Last, der seiner
Zweifingertechnik zum Trotz im Konzert keine Einsätze gibt und lieber die dankenswerterweise
vor ihm drapierte Cellistin in Blond und Schottenrock bei der Arbeit studiert. Nach
zwei Stunden und 15 Minuten sind alle glücklich, als es vorbei ist. Keine
Tränen mehr. Die Psychopharmaka bleiben im Hosensack. Wir fordern einmal Hansi
auf Rezept!
(Wiener Zeitung, 19.4.2013)
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1 Kommentar:
Sg Hr Rauschal
Schade, dass Sie musikalisch wirklich ein Neuling sind, um solches Statements über die Musik von James Last abzugeben. Leider konnte ich Ihren Namen in der Besetzungsliste des Orchesters nicht finden.
An Ihrer Stelle würde ich mich besser über Orchesterarrangements und Phrasierungen der Melodien informieren.
Mit freudlichen Grüssen !
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