Donnerstag, Dezember 19, 2013

Die kurze Nacht der langen Papers

- US-Rapper Snoop Dogg und sein neues Projekt 7 Days Of Funk 

Erst im April musste Snoop Dogg selbst über den Blödsinn lachen, den er sich wieder einmal ausgedacht hatte. Schließlich kehrte der einstige Zuhälter, Pornoproduzent und Gangsta-Rapper geläutert von einem Aufenthalt auf Jamaika zurück, wo es unter seinem neuen Alias Snoop Lion nicht etwa nur galt, das Genre zu wechseln und ein der Volksmusik des Gastlandes geschuldetes Album mit zurückgelehnten Reggae-Rhythmen und aufgezwirbelten Dancehall-Sounds aufzunehmen. Auch gab sich der Mann als Reinkarnation Bob Marleys zu erkennen, die von nun an nichts weniger als die Botschaft der Liebe verkünden wollte. Friede den verfeindeten Ghettogangs und ihren munitionsumgürtelten Eisenherzen!

Daraus durfte man so seine Schlüsse ziehen. Die von tatsächlichen Gefängnisaufenthalten und gekünsteltem Kriminaler-Gehabe geprägte Figur des wilden Hundes mit der großen Schusswaffe in der Hose war immer auch eine, die sich zwischen autobiografischer Faktenlage und den Schwindeleien der Entertainmentbranche in undurchsichtige Beglückungskraut-Nebel hüllte. Und ja: Auch gelernt haben sollte man, dass lebenslanges Kiffen mindestens maximal weich in der Birne macht. Eigenen Angaben zufolge gibt sich Snoop Dogg täglich dem Genuss von bis zu 80 Sportzigaretten hin. Dass mit schöner Regelmäßigkeit neue, wenn schon nicht immer auch inspirierte Alben erscheinen, darf vor diesem Hintergrund als erstaunlich bezeichnet werden. Aber wer weiß, vielleicht flunkert unser Übertreibungskünstler ja auch bei der Mengenangabe ein wenig. 

Synthetik-Funk 

Zweifelsohne hinterlässt der Konsum seine Spuren im Werk. Nach einem neuerlichen Wechsel des Pseudonyms zu Snoopzilla, um dem als Bootzilla aktiven Funker Bootsy Collins Tribut zu zollen, kann das vor allem auf Snoop Doggs neuester Veröffentlichung nachgeprüft werden. Auf dem selbstbetitelten ersten mit Produzent Dâm-Funk eingespielten Album des Projekts 7 Days Of Funk (Stones Throw/Groove Attack) wird vordergründig zwar dem synthetischen Funk der 1980er Jahre gehuldigt – was neben Umhängekeyboards mit Hang zu narrischen Gummisolos jede Menge semi-elektronische Beats mit sich bringt, die auch einem Prince gut anstehen würden. 

Maximal im mittleren Tempobereich angesetzt sowie mit verschwommenen und zerronnenen und dabei beruhigend-nächtlichen Klangflächen ausstaffiert, wird gleichfalls aber eine kleine Begleitmusik für das liebste Hobby unseres Rappers errichtet. Wir hören repetitive, sanft fließende Muster, zu denen sich gut chillen lässt, und die keine Verwirrung stiften, die ein Kiffer nicht braucht. Alles muss langsam sein, nichts darf stressen oder verstören. Alles muss easy, alles muss lässig sein und nach einer Familienpizza mit extra Käse gepflegt bei einer Packung Cremissimo und zwei Twix-Riegeln als Besteckersatz enden. So zumindest schildern es Experten.

Snoop  Dogg und Dâm-Funk lehnen sich zurück. Der Flow stimmt, die Stotter-Raps gehen schwer, letztlich aber smoothe über die Lippen. Die Grooves wippen butterweich aus den Knien. Dass sich neben dem Coverdesign auch die Titelanzahl etwa am frühen George Clinton orientiert, ist würdig und recht – zeitigt nach sieben überraschend gelungenen Songs und lediglich 30 Spielminuten aber ein jähes Ende. Kurz ist die Nacht, lang sind die Papers.

(Wiener Zeitung, 20.12.2013)               

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