„Neues“ Johnny-Cash-Album „Out Among The Stars“: Nachschub aus dem
Nachlass
In
den späten 80er und frühen 90er Jahren hörte man diese und ähnliche Musik bei
Familienausflügen ins Grüne aus dem Seniorenradio seufzen. Die Songs klangen
lieblich, vertrauten auf den Zierrat schmalziger Streicher und kamen zum
hatscherten Countryfest-Bass schunkelnd daher. Die Welt war schön, heil und
harmonisch.
In
Österreich kannte man Johnny Cash als Schmähführer aus der
„Peter-Alexander-Show“. Er sang im Duett mit dem heimischen Entertainer
wienerische Welthits wie „Jetzt trinkʼn ma noch a Flascherl Wein“ und übernahm
darin das „Holladio“. Das kam gut an – und man verstand es. Dass Johnny Cash bei
uns auch im Regionalradio funktionierte, war wiederum jenem Sound geschuldet,
der sich im Nashville der 80er Jahre endgültig ins Glatt-Beliebige verkehrte.
Doppelte Böden
Auch
zwölf „neue“ Songs, die unter dem Titel „Out Among The Stars“ am Freitag
erscheinen und von Johnny Cash in den Jahren 1981 und 1984 eingespielt wurden,
dokumentieren diese Ästhetik – und erklären den doppelten Boden, auf dem sich die
Sonntagsfahrten auch eingedenk nicht vorhandener Englischkenntnisse der
Hörerschaft bewegten. Immerhin erzählt Cash im Titelsong des Albums nicht nur
von einem Ladendiebstahl in der texanischen Pampa, der – weiß Gott! – tödlich
ausgehen wird. Er singt mit „I Drove Her Out Of My Mind“ auch über eine
Beziehung und deren Ende per Mord und Suizid. Allerdings lässt es sich zum
Erlösungs-Gospel des Backgroundchors vortrefflich schunkeln, ehe über den zum
Abschluss gereichten Läuterungs-Country von „I Came To Believe“ im seligen
Dreivierteltakt wieder in den Schoß von Jesus Christus heimgekehrt wird. Und
vergib uns unsere Schuld!
Die
aus einer Archiventstaubung durch Sohnemann John Carter Cash hervorgegangene
Veröffentlichung datiert hörbar auf eine künstlerisch schwierige Phase des „Man
in Black“ zurück. Nach unambitionierten und nicht nur wegen des Niedergangs von
Country zum Subgenre erfolglosen Alben sowie auch aufgrund Cashs neuentdeckter
Neigung zum christlichen Nischenwerk beschloss man bei Columbia Records, das
einstige Zugpferd nur mehr nach Vorschrift zu promoten. Ein enttäuschter Cash
zog die Konsequenzen und erlebte nach dem Wechsel zu Mercury Records noch
schlechtere Jahre. Erst die Zusammenarbeit mit Rick Rubin sorgte ab 1994 für
ein übermächtiges Alterswerk, das den Sänger überwiegend alleine an
der Gitarre und mit vom Leben gezeichnetem Grubenbass auch für neue
Generationen interessant und künstlerisch unsterblich machte. Ohne übertriebene
Country-Klischees, sehr wohl aber mit der nötigen Dosis Altmänner-Pathos,
entstanden Gänsehaut erzeugende, in ihrer Reduktion auf das Wesentliche
erhabene Coverversionen, die nichts weniger als die Vorlagen übertreffende
Aneignungen waren.
Unentschiedener Cash
Das
von Columbia in den 80er Jahren abgelehnte Material, das „Out Among The Stars“
nun versammelt und ausgerechnet vom zu Columbia und Sony Music gehörenden
Reissue-Label Legacy Recordings instrumentalisiert wird, um die posthume
Geldmaschine zu schmieren, leidet hingegen unter zwei Umständen: Einerseits
wird unter Regie des synonym für den glattpolierten „Countrypolitan“-Sound
stehenden Produzenten Billy Sherrill auf exakt jene Klischees vertraut, die man
dem späten Johnny Cash erst verbieten musste. Andererseits hören wir einen
unentschiedenen Musiker, der wahlweise frömmelnd oder heimatlich-patriotisch
zwischen Truckerbar-Country,
Rockabilly-Ruinen und Nashville-Schlager mäandert.
Trotz
guter Momente wie etwa „Don’t You Think It’s Come Our Time“ als Zeugnis einer
Lebensliebe, das im Duett mit June Carter Cash erschallt, ist „Out Among The
Stars“ als Angelegenheit für Die-Hard-Fans zu betrachten – sowie als Dokument
einer Zeit, die für Johnny Cash und die Country-Branche als solche nicht
einfach war.
Johnny Cash: Out Among The Stars (Legacy/Sony)
(Wiener Zeitung, 20.3.2014)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen