Dienstag, März 18, 2014

Alles muss dürfen

Mit „No Mythologies To Follow“ veröffentlicht Mø aus Dänemark ihr erstes Album 

Vor dem Auge der Öffentlichkeit wird die Karriere seit dem Jahr 2012 aufgebaut. In dieser Zeit entwickelte sich die unter ihrem Alias Mø aktive dänische Musikerin Karen Marie Ørsted  im Kleinen zum It-Girl – sowie zum womöglich „nächsten großen Ding“. Und sie sorgte mit zügig zu veröffentlichenden Singles auch dafür, dass gut die Hälfte des nun erscheinenden Debütalbums dem Publikum bereits bekannt sein dürfte. Speed kills – nicht nur so manche Karriere wird von der erhöhten Geschwindigkeit im Geschäft gefährdet, auch der Neuigkeitswert des Materials selbst ist betroffen. Die Folge sind gelangweilte Trendhopper, die dem nächsten Must-watch anheim fallen dürfen.

Wie es sich in dieser Hinsicht mit „No Mythologies To Follow“ (Sony Music) verhalten wird, bleibt abzuwarten. Sicherlich ist Mø aber nicht vorzuwerfen, mit ihrem Erstling zu wenig versucht zu haben. Schließlich ist der postmoderne Genre-Mix, bei dem alles darf, aber nichts muss, grundsätzlich bereit, uns alle anzusprechen. Und er denkt dabei sehr viel mit. Das ergibt elektronischen Pop mit Hang zu Hip-Hop-tauglichen 808-Beats und auf Werkseinstellung belassenen Synthesizern, der jede Menge Blue-eyed-Soul und R&B einstreut und dank dramatisch hallbelegter Tomtoms und im Hintergrund aufjaulender Stromrockgitarren die Schrecken der 80er Jahre verbreitet. Auch präsentiert Mø ihr Wissen um Käsekeyboards der Sorte Modern Talking wahlweise todernst wie durch die Brille einer Kunsthochschulstudentin gebrochen. Und sie schiebt Nummern ein, die mit schmachtendem Schmollgesang eins zu eins wie Lana Del Rey oder Lykke Li klingen.

Mit M.I.A.-Produzent Diplo wird tribalistischer Es-rappelt-im-Karton-Pop in kunterbunt gereicht. Ein Hauch von tropisch-schwüler 80er-Jahre-Disco darf nicht fehlen. Außerdem lässt  Ørsted – Jahrgang 1988 – in kaum einem Interview unerwähnt, dass ihre seinerzeitige Pop-Initiation über die Spice Girls bis heute stark nachwirkt. Als Beweis gibt es beispielsweise eine Coverversion der Single „Say You’ll Be There“ auf Youtube zu hören.

All diese Anknüpfungspunkte und ihre berechenbaren Vermengungen führen zwar zu einem Album, das überraschend eintönig klingt und es dem kritischen Hörer leicht macht, Mø aus Prinzip abzulehnen – wenn alles geht, geht auch das. Allerdings wird die Kurve letztlich mit einigen Songs gekratzt, die mehr als reine Talentproben sind. „Dust Is Gone“ etwa gehört zu den gelungensten Nummern, die Lana Del Rey noch nicht geschrieben hat, „Waste Of Time“ lädt mit seinem aus dem Knie wippenden Groove zum Kopfnicken ein und in Sachen Songwriting und Dramaturgie wird gleich mit „Fire Rides“ zu Beginn fast alles richtig gemacht. 

Man wird die Entwicklung der Frau weiter verfolgen müssen. Live gastiert Mø am 30. April in der Fluc Wanne. 

(Wiener Zeitung, 19.3.2014)

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