Mit „No
Mythologies To Follow“ veröffentlicht Mø
aus Dänemark ihr erstes Album
Vor
dem Auge der Öffentlichkeit wird die Karriere seit dem Jahr 2012 aufgebaut. In
dieser Zeit entwickelte sich die unter ihrem Alias Mø aktive dänische Musikerin Karen Marie Ørsted im Kleinen
zum It-Girl – sowie zum womöglich „nächsten großen Ding“. Und sie sorgte mit
zügig zu veröffentlichenden Singles auch dafür, dass gut die Hälfte des nun
erscheinenden Debütalbums dem Publikum bereits bekannt sein dürfte. Speed kills
– nicht nur so manche Karriere wird von der erhöhten Geschwindigkeit im
Geschäft gefährdet, auch der Neuigkeitswert des Materials selbst ist betroffen.
Die Folge sind gelangweilte Trendhopper, die dem nächsten Must-watch anheim
fallen dürfen.
Wie
es sich in dieser Hinsicht mit „No Mythologies To Follow“ (Sony Music)
verhalten wird, bleibt abzuwarten. Sicherlich ist Mø aber nicht vorzuwerfen, mit ihrem Erstling zu wenig versucht zu haben.
Schließlich ist der postmoderne Genre-Mix, bei dem alles darf, aber nichts
muss, grundsätzlich bereit, uns alle anzusprechen. Und er denkt dabei sehr viel
mit. Das ergibt elektronischen Pop mit Hang zu Hip-Hop-tauglichen 808-Beats und
auf Werkseinstellung belassenen Synthesizern, der jede Menge Blue-eyed-Soul und
R&B einstreut und dank dramatisch hallbelegter Tomtoms und im Hintergrund
aufjaulender Stromrockgitarren die Schrecken der 80er Jahre verbreitet. Auch
präsentiert Mø ihr Wissen um Käsekeyboards der Sorte Modern Talking wahlweise
todernst wie durch die Brille einer Kunsthochschulstudentin gebrochen. Und sie
schiebt Nummern ein, die mit schmachtendem Schmollgesang eins zu eins wie Lana
Del Rey oder Lykke Li klingen.
Mit M.I.A.-Produzent Diplo wird tribalistischer Es-rappelt-im-Karton-Pop
in kunterbunt gereicht. Ein Hauch von tropisch-schwüler 80er-Jahre-Disco darf
nicht fehlen. Außerdem lässt Ørsted – Jahrgang 1988
– in kaum einem Interview unerwähnt, dass ihre seinerzeitige Pop-Initiation
über die Spice Girls bis heute stark nachwirkt. Als Beweis gibt es beispielsweise
eine Coverversion der Single „Say You’ll Be There“ auf Youtube zu hören.
All diese Anknüpfungspunkte und ihre berechenbaren
Vermengungen führen zwar zu einem Album, das überraschend eintönig klingt und
es dem kritischen Hörer leicht macht, Mø aus Prinzip abzulehnen – wenn alles
geht, geht auch das. Allerdings wird die Kurve letztlich mit einigen Songs
gekratzt, die mehr als reine Talentproben sind. „Dust Is Gone“ etwa gehört zu
den gelungensten Nummern, die Lana Del Rey noch nicht geschrieben hat, „Waste
Of Time“ lädt mit seinem aus dem Knie wippenden Groove zum Kopfnicken ein und in
Sachen Songwriting und Dramaturgie wird gleich mit „Fire Rides“ zu Beginn fast
alles richtig gemacht.
Man wird die
Entwicklung der Frau weiter verfolgen müssen. Live gastiert Mø am 30. April in der
Fluc Wanne.
(Wiener Zeitung, 19.3.2014)
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