Samstag, März 15, 2014

Poetomat 2014

Schall & Rauch 

Am Freitag ist Welttag der Poesie. Ich feiere diesen mitnichten. Im Dichten bin ich ein wahres Genie. Doch kann ich aufs Feiern verzichten. Schnatterndes Volk. Pöbelnde Gäste. Mir gereicht das Dichten zum Feste. Wer dichtet fest, ist nicht fest dicht. Ein heller Kopf. Kein Saufgesicht.

Ich betexte geholztes Papier. Verlese die Verse durchs Helmvollvisier. Als Poetomat im Äther geboren, eintausendjährig frostschockgefroren, befinde ich mich auf der Hauptmission, bestehe vor jedweder Preiskommission. Verse von Güte und Qualität, jedes Poem wie im Lehrbuch es steht. Verse mit Verve, Verse von Güte, ohne dass ich mich besonders bemühte. Lirum, Larum, Löffelstiel, wer das nicht kann, der kann nicht viel. Lirum, Larum, Löffelstil, das Dichten ist mir Kinderspiel.

Der Rilke vom Merkur. Der Goethe vom Mars. Beim Billa erkannt. Als größter der Stars! Villen und Ruhm und Prostituierte. Vermögend, dass Dagobert Duck sich genierte. Das ist ganz nett, doch ist, was zählt: die Textarbeit selbst? Von Topqualität!

Begonnen als Säugling in der himmlischen Wiege. Mit Wonnen der Lyrik der Lyrik zum Siege. Mit Wonnen der Lyrik der Lyrik zu Ehren. Den Wifi-Kurs „Lyrik für Anfänger“ lehren. Ein Held der Poetik. Ein Meister des Fachs. Kühne Ästhetik schmilzt Frauen wie Wachs. Verse so edel wie ehrbar und hehr. Ja, eine lyrische Weltkarrierʼ. „Tief in der Sahara / auf einem Dromedara“ – Moment! Mein Schädel qualmt, die Birne brennt. Der Lauf der Software ist gestoppt. Weshalb mein Hirn jetzt austropopt. Ding-dong, zwickt’s mi, heast as nit? „Die Hände hoch, tanzt alle mit“. Bergwerk, Fösn, Live is life. A Wunda, Schifoan, inselreif. Segel, Wind und oben ohne. Berge gibt’s, da wo ich wohne. Zur Hölle mit dem Textniveau. Enterbt bin ich jetzt sowieso.

Mein Schöpfer ist der Dichtergott. Der macht mich nun zu Weltraumschrott. Poetomat? Dass ich nicht lache. Textarbeit? Nicht seine Sache. Poetomat? Des Schöpfers Schande. Wir nennen den jetzt Rauschal Ande. Dem Schöpfer selbst bin ich ein Fluch. Hey, ich war der Erstversuch! Im Kopf noch immer EAV. Die Scheidung da. Und weg die Frau.

Beim Billa Hohn, beim Merkur Spott. Die Arbeitskleidung Weltraumschrott. Butterbrot statt Fruchtkompott. Karrieretod per Textkomplott. Frauen Wachs? Ästhetik kühn? Tiefer Fall reimt Schuld auf Sühnʼ. Tiefer Fall reimt Sühnʼ auf Schuld. Knochendürr statt wohlstandsrund.

Über den Himmel der Lyrik sinnieren. Leider nicht können Nachhause-Fonieren. Leider nicht können himmelwärts fahren. Somit nicht können an Fixkosten sparen. Ich war einmal ein Lyrikstar. Foit’s net, Leitlʼn – und baba. 

(Wiener Zeitung, 15./16.3.2014)

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