Mit „Blick auf
die Alpen“ erscheint nächste Woche das vierte Studioalbum von Kreisky
Franz
Adrian Wenzl, Martin Max Offenhuber, Gregor Tischberger und Klaus Mitter sind
seit 2005 als Kreisky aktiv – und gelten als eine der erfolgreichsten
heimischen Gitarrenbands. Ihr am kommenden Freitag erscheinendes Album „Blick
auf die Alpen“ (Wohnzimmer Records/Hoanzl) erklärt, warum und erweitert
gewohnte Kernkompetenzen um neue Nuancen. Mit der Wiener Zeitung sprachen drei
Viertel der Formation über Dramatik, Humor, die Pubertät und perfektionierten
Dilettantismus.
Wiener Zeitung: Der
Titel des neuen Kreisky-Albums lautet „Blick auf die Alpen“. Das ist trügerisch,
weil er etwa auf eine Auseinandersetzung mit Österreich schließen lässt, die
aber nicht stattfindet.
Franz Adrian Wenzl: Unser
Hauptzugang erfolgt stets über die Menschen. Mich interessiert, wie sie funktionieren,
wie sie in verschiedener Hinsicht überleben und welche Strategien sie sich
dafür zurechtlegen. Die Lieder sind diesmal sehr erzählerisch. Im Grunde ist
„Blick auf die Alpen“ eine Short-Story-Platte.
Ein Überbau bleibt
bei Kreisky nie unerwähnt. Es gibt keinen Artikel über Sie, in dem das Wort
„Grant“ nicht fällt.
Wenzl: Diese
Zuschreibung ist ja auch selbst gewählt. Wobei es weniger um das Wort „Grant“
geht als darum, dass wir Antipoden einer einfach konsumierbaren Musik sind, die
es im „Deutsch-Pop“ häufig gibt – Musik, die über einfache Identifikation
funktioniert. Die Identifikation, die bei uns passieren soll, ist jene über den
Stachel im eigenen Fleisch und über Sachen, die ein bisserl wehtun.
Auch bei den
neuen Songs ist die Stimmung aufgerieben. Wie wichtig ist das Theatralische für
Kreisky?
Wenzl: Eigentlich sehr
wichtig. Wir sind ja mindestens so sehr eine Bühnenband, wie wir eine
Aufnahmeband sind. Und es soll schon ein Erlebnis sein, wenn die Leute zu uns ins
Konzert kommen. Das Element des Dramatischen und vor allem des Narrativen braucht
ja eine entsprechende Form in der Darstellung.
Klaus Mitter: Kreisky stehen
für dem Publikum zugewandte Konzerte. Wir sind absolutes Anti-Shoegazing!
Die Faktenlage
in den Songs ist ernst und lässt nicht gleich darauf schließen, dass Ihnen trotzdem
der Schalk im Nacken sitzt. Kommt der Schmäh Kreiskys in der öffentlichen
Wahrnehmung zu kurz?
Mitter: Es ist immer so
ein wenig top down. Zunächst einmal sind wir die grantigste und danach die lautestes
Band.
Wenzl: Wir sind ja
grundsätzlich ernsthaft. Aber damit die Ernsthaftigkeit Bestand hat, braucht es
eine gewisse Leichtigkeit. Weil sonst bist du sofort in einem moralischen Dings
drinnen, in einem Selbstmitleid …
Mitter: … oder in der
Semmeltrenzerabteilung!
Mit
„Weinkrämpfe“ und „Wir machen uns Sorgen um dich“ beinhaltet das neue Album
zwei Coming-of-Age-Songs. Die Pubertät ist für Sie vermutlich interessant, weil
Sie auf Trotz, Renitenz und Hysterie baut?
Wenzl: Ich wollte
nicht über aktuelle Teenager schreiben – die befinden sich für mich ohnehin auf
einem anderen Planeten. Funktioniert hat es über die Erinnerung und über popkulturelle
Zuschreibungen des Teenagersongs, der ja fast die Ur-Idee von Popmusik ist. Bei
„Weinkrämpfe“ singe ich zudem aus Mädchenperspektive. Eine interessante
Sichtweise für uns als schon auch dezidiert maskuline Band.
Ein anderer Song
wird aus der Sicht der Eltern gegeben. Vom Alter her müssten Ihnen Sätze wie „Mein
Vater ist so peinlich“ und „Du rauchst und du trinkst und du treibst dich
herum“ ungefähr gleich weit entfernt sein. Welche Perspektive ist Kreisky da näher,
im Sinne von „verständlicher“?
Wenzl: Das würde ich
unbeantwortet lassen, weil es gar nicht um unsere Position geht. Ich würde jedenfalls
nicht sagen, dass der eine etwa ein Satz ist, den man als 15-Jähriger sagt,
über den man hinauswächst und der deshalb auch dumm ist. Es könnte jetzt auch
ein 65-Jähriger zu uns kommen und meinen, wie lächerlich, diese Typen. Mitte
bis Ende 30 und stellen sich noch immer auf die Bühne und schreien!
Und
man wächst ja nicht immer ins Positive. Oft ist es ist schade, dass man sich
aus lebenspraktischer Notwendigkeit der Realität angleicht. Die Träume, die man
als Teenager träumt, haben da Qualität. Die arme Sau ist ja der, der so etwas
nicht kennt.
In „Selbe Stadt,
anderer Planet“ beschäftigen Sie sich mit arbeitszentrierten Paralleluniversen.
Vermutlich können Sie als Musiker ein eigenes Lied davon singen. Die Außenwelt
schmeißt Sie mit Pensionisten, Studenten und Arbeitslosen in einen Topf – dabei
stehen Sie nur in den eigenen vier Wänden unter Strom. Steigt damit die Gefahr,
als „Freak“ stigmatisiert zu werden?
Wenzl: Stigmatisiert
ist vermutlich zu stark. Die Idee dahinter ist jedenfalls die eines gewissen
„Ich und die anderen“ – eine dankbare Ausgangsposition für einen Popsong. Die klassische
Rolle des Freigeistes gegenüber der übrigen Welt. Man kann das auch so sehen, dass
man es selbst vielleicht besser hat. Freie Zeiteinteilung, freies Leben.
Martin Max Offenhuber (lacht): Und für alle anderen ist es ein Stachel
in der Wunde.
Kreisky gelten
neben Ja, Panik als erfolgreichste heimische Gitarrenband. Zum Thema Arbeit: Was
bedeutet das für Ihre Lebensumstände?
Wenzl: Wir können mit
unserer Musik nicht den Lebensstandard gewährleisten, den wir uns auch eingedenk unseres Alters vorstellen. Wenn ich 22 wäre, und wir hätten jetzt ein
Album, würde ich von der Musik leben können wie vielleicht von einem
Zivildienstgehalt – und es würde sich ausgehen. Worin es sich auf jeden Fall
auswirkt, ist ein Publikum und ein gewisses Einkommen, mit dem man das nächste
Album finanzieren kann. Das ist das Wichtigste und, mit dem Feedback der Leute,
die klare Motivation, weiterzumachen.
Franz Adrian
Wenzl ist bekanntlich u. a. auch als Austrofred aktiv, für die Band selbst sind
weitere Standbeine …
Mitter: Es gibt Jobs.
Teilweise selbstständig, teilweise angestellt. Und mit einer moderaten
Stundenreduzierung – also nicht so, dass man nebenbei nur ein bissi was
hackelt. Ein Hobbyisten-Ding, bei dem man immer nur reinzahlt, war uns aber immer
fern. Wir wollten Kreisky schon zumindest so machen, dass sich der Aufwand in
etwa refinanziert.
Man sieht Teile
der Band häufig auf Konzerten. Wie wichtig ist Musik für Kreisky abseits des
eigenen Schaffens geblieben?
Mitter: Extrem wichtig.
Von den Künsten – und jetzt einmal abgesehen von Freunden, Familie und gegenstandslosen
Dingen – definitiv die Nummer eins.
Offenhuber: Es ist ein
Grundbedürfnis.
Mit „Todesstern“
beendet ein Song das Album, der sich vom restlichen Material abhebt. Wie
wichtig ist es Ihnen, innerhalb einer gut abgesteckten Ästhetik nach neuen
Nuancen zu suchen?
Offenhuber: Wir haben diesmal
stark am Bandsound, an den Klangfarben und am Melodiezugang gearbeitet und Instrumente
betont, die früher im Hintergrund waren. Nicht nur in Sachen Raumklang haben
wir bewusst auf das Studio der Wiener Symphoniker zurückgegriffen. Bei „Todesstern“
wurde all das auf die Spitze getrieben.
Mitter: Grundsätzlich
gibt es schon eine Art Standardprozedere, auch, wie lange wir brauchen, um eine
Nummer zu machen. An anderen Songs wiederum sind wir trotz hohen Zeitaufwands
gescheitert. Und mit „Scheiße, Schauspieler“ haben wir auf dem letzten Album etwas
Untypisches gemacht und versucht, wie The Clash zu klingen. Als Triebfeder ist
das toll. Aber wir können das natürlich gar nicht, und am Ende klingt es erst
recht wieder nach Kreisky. Wir sind ja de facto eine Dilettantenband. Auch wenn
man sich den Dilettantismus mit der Zeit perfekt spielt.
Kreisky wurden
2009 mit einem Amadeus ausgezeichnet. Aktuell ist der Award in den
Schlagzeilen, weil gleich drei Acts ihre Nominierungen abgelehnt haben. Verfolgen
Kreisky die Debatte und wie steht die Band zum wichtigsten und einzigen
Musikpreis des Landes?
Wenzl: Der Amadeus
ist sicher nicht der wichtigste Preis, aber feierlich war es schon, den Topf zu
kriegen. Eine Nominierung absagen würde ich nur bei einem wirklich triftigen
Grund. Ansonsten würd ich es so halten wie ein richtig großer Star: Der
tut beim Mistelbacher Filmpreis oder beim Rennbahn-Express-Pinguin auch, als
würde ihm grad der Oscar in die Hand gedrückt.
(Wiener Zeitung, 15./16.3.2014)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen