Freitag, März 14, 2014

„Sachen, die ein bisserl wehtun“

Mit „Blick auf die Alpen“ erscheint nächste Woche das vierte Studioalbum von Kreisky 

Franz Adrian Wenzl, Martin Max Offenhuber, Gregor Tischberger und Klaus Mitter sind seit 2005 als Kreisky aktiv – und gelten als eine der erfolgreichsten heimischen Gitarrenbands. Ihr am kommenden Freitag erscheinendes Album „Blick auf die Alpen“ (Wohnzimmer Records/Hoanzl) erklärt, warum und erweitert gewohnte Kernkompetenzen um neue Nuancen. Mit der Wiener Zeitung sprachen drei Viertel der Formation über Dramatik, Humor, die Pubertät und perfektionierten Dilettantismus. 

Wiener Zeitung: Der Titel des neuen Kreisky-Albums lautet „Blick auf die Alpen“. Das ist trügerisch, weil er etwa auf eine Auseinandersetzung mit Österreich schließen lässt, die aber nicht stattfindet. 

Franz Adrian Wenzl: Unser Hauptzugang erfolgt stets über die Menschen. Mich interessiert, wie sie funktionieren, wie sie in verschiedener Hinsicht überleben und welche Strategien sie sich dafür zurechtlegen. Die Lieder sind diesmal sehr erzählerisch. Im Grunde ist „Blick auf die Alpen“ eine Short-Story-Platte.

Ein Überbau bleibt bei Kreisky nie unerwähnt. Es gibt keinen Artikel über Sie, in dem das Wort „Grant“ nicht fällt. 

Wenzl: Diese Zuschreibung ist ja auch selbst gewählt. Wobei es weniger um das Wort „Grant“ geht als darum, dass wir Antipoden einer einfach konsumierbaren Musik sind, die es im „Deutsch-Pop“ häufig gibt – Musik, die über einfache Identifikation funktioniert. Die Identifikation, die bei uns passieren soll, ist jene über den Stachel im eigenen Fleisch und über Sachen, die ein bisserl wehtun. 

Auch bei den neuen Songs ist die Stimmung aufgerieben. Wie wichtig ist das Theatralische für Kreisky? 

Wenzl: Eigentlich sehr wichtig. Wir sind ja mindestens so sehr eine Bühnenband, wie wir eine Aufnahmeband sind. Und es soll schon ein Erlebnis sein, wenn die Leute zu uns ins Konzert kommen. Das Element des Dramatischen und vor allem des Narrativen braucht ja eine entsprechende Form in der Darstellung. 

Klaus Mitter: Kreisky stehen für dem Publikum zugewandte Konzerte. Wir sind absolutes Anti-Shoegazing! 

Die Faktenlage in den Songs ist ernst und lässt nicht gleich darauf schließen, dass Ihnen trotzdem der Schalk im Nacken sitzt. Kommt der Schmäh Kreiskys in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz? 

Mitter: Es ist immer so ein wenig top down. Zunächst einmal sind wir die grantigste und danach die lautestes Band. 

Wenzl: Wir sind ja grundsätzlich ernsthaft. Aber damit die Ernsthaftigkeit Bestand hat, braucht es eine gewisse Leichtigkeit. Weil sonst bist du sofort in einem moralischen Dings drinnen, in einem Selbstmitleid … 

Mitter: … oder in der Semmeltrenzerabteilung! 

Mit „Weinkrämpfe“ und „Wir machen uns Sorgen um dich“ beinhaltet das neue Album zwei Coming-of-Age-Songs. Die Pubertät ist für Sie vermutlich interessant, weil Sie auf Trotz, Renitenz und Hysterie baut? 

Wenzl: Ich wollte nicht über aktuelle Teenager schreiben – die befinden sich für mich ohnehin auf einem anderen Planeten. Funktioniert hat es über die Erinnerung und über popkulturelle Zuschreibungen des Teenagersongs, der ja fast die Ur-Idee von Popmusik ist. Bei „Weinkrämpfe“ singe ich zudem aus Mädchenperspektive. Eine interessante Sichtweise für uns als schon auch dezidiert maskuline Band. 

Ein anderer Song wird aus der Sicht der Eltern gegeben. Vom Alter her müssten Ihnen Sätze wie „Mein Vater ist so peinlich“ und „Du rauchst und du trinkst und du treibst dich herum“ ungefähr gleich weit entfernt sein. Welche Perspektive ist Kreisky da näher, im Sinne von „verständlicher“? 

Wenzl: Das würde ich unbeantwortet lassen, weil es gar nicht um unsere Position geht. Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass der eine etwa ein Satz ist, den man als 15-Jähriger sagt, über den man hinauswächst und der deshalb auch dumm ist. Es könnte jetzt auch ein 65-Jähriger zu uns kommen und meinen, wie lächerlich, diese Typen. Mitte bis Ende 30 und stellen sich noch immer auf die Bühne und schreien!

Und man wächst ja nicht immer ins Positive. Oft ist es ist schade, dass man sich aus lebenspraktischer Notwendigkeit der Realität angleicht. Die Träume, die man als Teenager träumt, haben da Qualität. Die arme Sau ist ja der, der so etwas nicht kennt. 

In „Selbe Stadt, anderer Planet“ beschäftigen Sie sich mit arbeitszentrierten Paralleluniversen. Vermutlich können Sie als Musiker ein eigenes Lied davon singen. Die Außenwelt schmeißt Sie mit Pensionisten, Studenten und Arbeitslosen in einen Topf – dabei stehen Sie nur in den eigenen vier Wänden unter Strom. Steigt damit die Gefahr, als „Freak“ stigmatisiert zu werden? 

Wenzl: Stigmatisiert ist vermutlich zu stark. Die Idee dahinter ist jedenfalls die eines gewissen „Ich und die anderen“ – eine dankbare Ausgangsposition für einen Popsong. Die klassische Rolle des Freigeistes gegenüber der übrigen Welt. Man kann das auch so sehen, dass man es selbst vielleicht besser hat. Freie Zeiteinteilung, freies Leben. 

Martin Max Offenhuber (lacht): Und für alle anderen ist es ein Stachel in der Wunde. 

Kreisky gelten neben Ja, Panik als erfolgreichste heimische Gitarrenband. Zum Thema Arbeit: Was bedeutet das für Ihre Lebensumstände? 

Wenzl: Wir können mit unserer Musik nicht den Lebensstandard gewährleisten, den wir uns auch eingedenk unseres Alters vorstellen. Wenn ich 22 wäre, und wir hätten jetzt ein Album, würde ich von der Musik leben können wie vielleicht von einem Zivildienstgehalt – und es würde sich ausgehen. Worin es sich auf jeden Fall auswirkt, ist ein Publikum und ein gewisses Einkommen, mit dem man das nächste Album finanzieren kann. Das ist das Wichtigste und, mit dem Feedback der Leute, die klare Motivation, weiterzumachen. 

Franz Adrian Wenzl ist bekanntlich u. a. auch als Austrofred aktiv, für die Band selbst sind weitere Standbeine … 

Mitter: Es gibt Jobs. Teilweise selbstständig, teilweise angestellt. Und mit einer moderaten Stundenreduzierung – also nicht so, dass man nebenbei nur ein bissi was hackelt. Ein Hobbyisten-Ding, bei dem man immer nur reinzahlt, war uns aber immer fern. Wir wollten Kreisky schon zumindest so machen, dass sich der Aufwand in etwa refinanziert. 

Man sieht Teile der Band häufig auf Konzerten. Wie wichtig ist Musik für Kreisky abseits des eigenen Schaffens geblieben? 

Mitter: Extrem wichtig. Von den Künsten – und jetzt einmal abgesehen von Freunden, Familie und gegenstandslosen Dingen – definitiv die Nummer eins. 

Offenhuber: Es ist ein Grundbedürfnis. 

Mit „Todesstern“ beendet ein Song das Album, der sich vom restlichen Material abhebt. Wie wichtig ist es Ihnen, innerhalb einer gut abgesteckten Ästhetik nach neuen Nuancen zu suchen?

Offenhuber: Wir haben diesmal stark am Bandsound, an den Klangfarben und am Melodiezugang gearbeitet und Instrumente betont, die früher im Hintergrund waren. Nicht nur in Sachen Raumklang haben wir bewusst auf das Studio der Wiener Symphoniker zurückgegriffen. Bei „Todesstern“ wurde all das auf die Spitze getrieben. 

Mitter: Grundsätzlich gibt es schon eine Art Standardprozedere, auch, wie lange wir brauchen, um eine Nummer zu machen. An anderen Songs wiederum sind wir trotz hohen Zeitaufwands gescheitert. Und mit „Scheiße, Schauspieler“ haben wir auf dem letzten Album etwas Untypisches gemacht und versucht, wie The Clash zu klingen. Als Triebfeder ist das toll. Aber wir können das natürlich gar nicht, und am Ende klingt es erst recht wieder nach Kreisky. Wir sind ja de facto eine Dilettantenband. Auch wenn man sich den Dilettantismus mit der Zeit perfekt spielt. 

Kreisky wurden 2009 mit einem Amadeus ausgezeichnet. Aktuell ist der Award in den Schlagzeilen, weil gleich drei Acts ihre Nominierungen abgelehnt haben. Verfolgen Kreisky die Debatte und wie steht die Band zum wichtigsten und einzigen Musikpreis des Landes? 

Wenzl: Der Amadeus ist sicher nicht der wichtigste Preis, aber feierlich war es schon, den Topf zu kriegen. Eine Nominierung absagen würde ich nur bei einem wirklich triftigen Grund. Ansonsten würd ich es so halten wie ein richtig großer Star: Der tut beim Mistelbacher Filmpreis oder beim Rennbahn-Express-Pinguin auch, als würde ihm grad der Oscar in die Hand gedrückt.

(Wiener Zeitung, 15./16.3.2014)

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