Freitag, März 07, 2014

Es ist ein Witz

Das deutsche Comedy-Trio Y-Titty bespaßt sein Publikum vor allem per Youtube 

- Live-Vorstellung am Samstag in Wien 

Früher stand ein Kasten im Wohnzimmer. Wir nannten ihn Fernseher. Im Fernseher gab es den FS1 und den FS2 und darin wiederum Leute, die bei allen bekannt waren. Sie hießen Bud Spencer, Edith Klinger oder Habakuk und sorgten dafür, dass wir ein gemeinsames Thema hatten, wenn das Wetter als Gesprächsstoff nichts hergab. Wir sahen rauchende Studiogäste, den Seniorenclub und noch lange kein Dschungelcamp. In der Nacht kam die Bundeshymne und danach war Sendeschluss. Wir gingen ins Bett oder Testbildschauen. Das ist sehr lange her.

Heute gibt es viele Geräte, die wir in die Tasche stecken, damit sie uns in die Tasche stecken – was wir nicht zugeben, denn sie sind sehr bequem. Ein jeder von uns nutzt auf den Geräten anderen Content. Nach getaner Arbeit reden wir über das Leben oder aneinander vorbei. Was sind das für Leute, von denen du sprichst? Soll man die kennen? Und warum kenne ich sie dann nicht? 

„Stricksocken Swagger“ 

Spartenstars und Diversifikations-C-Celebritys. Helden und Heldinnen des Segments! Früher gab es Nischenkunst, heute sind alle sehr berühmt – unter ihren Leuten. Wer etwa Y-Titty nicht kennt, ist ein alter Mensch, sagen wir, so um die 30.

Y-Titty haben einen sehr guten Humor. Sie machen auch sehr gute Musik. Das stimmt zwar nicht, dafür aber – und so viel steht fest – sind sie erfolgreich. Die Betonung liegt auf Erfolg. Reich wird man auch mit einer auf den deutschsprachigen Raum konzentrierten Weltkarriere per Youtube nicht, aber immerhin, man kann davon leben. Das ist hierorts einzigartig und an ein Abkommen mit dem Konzern gebunden, nicht über Geld zu sprechen. Pecunia olet. Non.

Mit Zahlen beeindruckt man insofern, als einzelne Videos an die 20 Millionen Klicks vorweisen können und der Hauptkanal von Y-Titty auf Youtube drei Millionen Abonnenten verbucht. Harte digitale Währung. Aufmerksamkeitsökonomie. Man produziert Comedy, die sehr deutsch ist, spielt Hitvideos von Miley Cyrus, Rihanna oder Eminem auf lustig sein wollend nach oder umrahmt selbstgeschriebene Songs, die fast so gut unterhalten, wie es ihre Titel („Ständertime“) vermuten lassen. 

Mit dem zwecks Pensionsvorsorge oder Finanzpolster für ausgedehnte Thailand-Urlaube im Falle eines abrupten Karriereendes veröffentlichten Debütalbum „Stricksocken Swagger“ (Universal) im Gepäck gastieren Y-Titty diesen Samstag in Wien. Der Auftritt in der Arena ist seit Monaten ausverkauft. Selbstverständlich, aber jetzt psst! Facebook geht auch nicht mehr, seit Mama und Papa dabei sind. 

(Wiener Zeitung, 8./9.3.2014)

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