US-Neo-Soul-Musiker
D’Angelo veröffentlicht sein erstes Album seit 14 Jahren
Von
der US-Kritik wird das Album als ein Album des Jahres gefeiert – ohne formal auch
ein solches zu sein. Immerhin waren die Bestenlisten längst fertig geschrieben,
als „Black Messiah“ zu Wochenbeginn veröffentlicht wurde. Dass die Erscheinung
auch als Überraschungscoup durchgeht, ist dann aber tatsächlich ein Wunder. Der
offizielle Nachfolger zu D’Angelos Zweitling „Voodoo“ von 2000 wäre eigentlich schon
vor zehn Jahren erwartet worden. Ein persönlicher Absturz zwischen Alkohol und
Drogen, „driving under the influence“ sowie der schlechten Idee, bei einer für
eine Prostituierte gehaltenen Undercover-Polizistin in Sachen Sex anzufragen,
wusste es zu verhindern. Über zahlreiche gescheiterte Sessions und mit „Nun
aber wirklich“-Avisos seit mindestens 2007 trotzdem angekündigt, entwickelte
sich das Werk zum „Warten auf Godot“ der R&B-Szene.
Für Ferguson
Die
Überraschung mag nun daher rühren, dass das Album über Nacht ins Netz gestellt
wurde und das Label im Hintergrund sämtliche für die nächsten sechs Monate
vorgesehenen Arbeitsschritte in kürzester Zeit zu erledigen hatte. Wachgerüttelt
von den Ereignissen in Ferguson und der wieder aufkeimenden Diskussion über
Rassismus in den USA, definiert D’Angelo das „Black Messiah“-Konzept in den
Liner-Notes so: „Many will think it’s about religion. For me, the title is about all of us. It’s about the world. It’s about
an idea we can all aspire to. We should all aspire to be a Black Messiah.“ Und:
„It’s not about praising one charismatic leader but celebrating thousands of
them. It’s a feeling that, collectively, we are all that leader.“
Gemeinsam
mit dem Coversujet, das eine protestierende Menschenmasse darstellen könnte, sich
tatsächlich aber als das bei einem raren Auftritt D’Angelos anwesende Publikum erweist,
mögen diese Worte vor einer Tatsache zwar doch sanft verpuffen: Auf dem Album selbst
befindet sich nur ein einziger Song, der explizit politisch daherkommt. Dieser
allerdings hat es in sich. „The Charade“ ist eine stille, dabei aber eindringliche
Anklage geworden, die den Schrecken nicht zuletzt als Kreidezeichnung auf dem
Beton festhält: „All we wanted was a chance to talk. ʼStead we’ve only got
outlined in chalk“ – um die Hoffnung auf ein besseres Morgen mit kämpferischer
Note trotzdem (und gerade deswegen!) zu beschwören.
Ganz
grundsätzlich stellt das Album eine gelungene Weiterführung der Kernkompetenzen
D’Angelos dar, der den Begriff „Neo-Soul“ mit seinem Debütalbum „Brown Sugar“
bereits 1995 prägen und ihn mit beinahe im Alleingang eingespielten Songs an
der Schnittstelle von R&B, Soul, Funk und Jazz sowie nicht zuletzt Hip-Hop
ausdefinieren sollte. Mit dem Hit „Untitled (How Does It Feel)“ und dem nackt
eingesungenen, vor allem auf den Bauchnabel D’Angelos fokussierten Musikvideo,
das ein persönliches Zipfl-Gate gerade noch zu verhindern wusste, bewarb sich
der Mann zusätzlich als möglicher Thronfolger eines Prince. Musikalisch ähnlich explizit wird es auf
„Black Messiah“ nur mit der R&B-Klassizistik des Abschlusssongs „Another
Life“.
Subtil bis
sublim
Textlich
zwischen Liebesbekundungen und einer Verarbeitung des problematisierten eigenen
Lebenswegs samt anschließender Reue (in Form eines Soul-Stoßgebets) gehalten,
kommt davor exakt gar nichts mit der Brechstange daher. Wir hören gleichermaßen
subtile wie zumindest oft auch sublime Musik, die zwischen Groove-Studien und konzisem
Songwriting verspielt stotternden Doo-Wop-Gesang, geschult-angejazzte Bässe und
funky Soullicks collagiert und mit kammermusikalischen Streichern und zärtlichen
Zupfgitarren zum Kuscheln ins King-Size-Bett lädt.
Ja,
eigentlich müsste man D’Angelo im Juni am Jazzfest Wien erleben können. Realistisch
betrachtet ist sein Slot aber bereits für Bobby McFerrin oder Radikaljazzer vom
Format der Pet Shop Boys reserviert.
D’Angelo: Black Messiah (RCA/Sony Music)
(Wiener Zeitung, 20./21.12.2014)
D’Angelo: Black Messiah (RCA/Sony Music)
(Wiener Zeitung, 20./21.12.2014)
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