Ab Montag findet
in Wien mit u.a. den Young Fathers das „The Full Hit Of Summer“-Festival statt
Noch
in der Steinzeit vor dreißig Jahren hat man gesagt: Jungväter, oft sind sie
nicht zuhause, und wenn, dann schlafen sie ihren Rausch aus. Zum 15. Geburtstag
schleimen sie sich mit einem Moped ein, und in den Jahren davor hat der
Nachwuchs nur eine Frage: „Mutter, sag mir, wer ist der Mann?“
Heute
schieben Jungväter nicht nur locker 60 Stunden Dienst im 40-Stunden-Job, sondern
dazwischen auch das Kinderwagerl von der Krabbelkrippe heimwärts. Kochen und pädagogisch
wertvolles Spielen auf einmal? Gar kein Problem! Dafür kennt die Brut deinen
Vornamen („Herbert, nicht schon wieder Spaghetti!“) und sagt vielleicht
„Bitte“, wenn sie einmal Geld braucht von dir.
Kritische
Interventionen
Warum
die Young Fathers aus Edinburgh nun ausgerechnet Young Fathers heißen, hat
allerdings nichts mit einem geplagten Leben als Erziehungsberechtige zu tun. So
viel man weiß, sind die drei Bandmitglieder im Alter von je 27 Jahren noch
kinderlos. Als weiteren gemeinsamen Nenner teilt man sich allerdings den
Umstand, die Namen der eigenen einstigen Erzeuger zu tragen, und - solchermaßen sich
als Young Fathers bezeichnend - wohl auch den Zeitmangel, der Jungfamilien mehr
als vertraut ist.
Bekannt
wurde das Trio im Vorjahr, als es für sein mit wenig Radio-Airplay bedachtes
Album „Dead“ den renommierten, nicht für Verkaufszahlen, sondern künstlerisches
Gewicht verliehenen britischen Mercury Prize einheimsen und sich somit gegen haushohe
Favoriten wie Damon Albarn oder FKA twigs durchsetzen konnte. Nur wenige von
atemloser Konzerttätigkeit und Aufnahmesessions in mehreren Ländern bestimmte
Monate später lag dann bereits ein Nachfolger vor. „White Men Are Black Men
Too“ (Big Dada) kündete bereits von seinem Titel her, dessen
Entstehungsgeschichte auch mit einem PR-Waschzettel des Labels dokumentiert und
diskutiert wurde, von einer Nähe zu ernsten Themen wie, in diesem Fall, Hautfarbe
und Ethnizität. Und auch die von einer kritischen Intervention abgeschlossene
Unterwanderung einer Anfrage des Nestlé-Konzerns, einen Song der Band für die
Eistee-Werbung verwenden zu dürfen, wies die Schotten als redliche junge Leute
aus.
Musikalisch
war das heuer im April erschienene Album, das am Jahresende erneut auf
zahlreichen Bestenlisten zu finden sein wird, nicht nur in seiner Kompromisslosigkeit
erstaunlich. Immerhin wurden die Ecken und Kanten angesichts des plötzlichen Popularitätsschubs
keineswegs abgeschliffen. Zugänglich ist die Musik der Young Fathers zwar
insofern, als sie weitgehend auf hübsche Melodien und etwa liebliches Glockenspiel
vertraut. All das verbirgt sich aber bevorzugt hinter einem garagistischen
Lo-Fi-Sound, der an alte, mit hohem Bandrauschen aufwartende Kassettendeckkopien
denken lässt.
Geschepper und
Gerassel
Eklektisch
kommt zu tracknahe arrangierten Momenten („Feasting“), frei zwischen Hip-Hop-
und Soul-Elementen flottierenden Songs und vokalen Stellungswechseln vom
Preacher-Man zum Oberschamanen jede Menge Geschepper und Gerassel. Man hört
dunkle Zwischenspiele ebenso wie beschwingt auf die Gospelmesse zurückgehende
Klaviermelodien. Dann kann diese Musik in bester Soulmanier mit Handclaps so
„uplifting“ sein, dass man einfach nur tanzen möchte. Nicht selten ist auch von
den Harmonien her ein Vergleich mit TV On The Radio möglich, wenn diese auf
einen kaputteren Kellersound geschworen hätten, als sie noch spannend waren.
Erstmals
live in Wien kann man die Young Fathers nun am kommenden Montag erleben, wenn
sie – etwa auch neben der Sade-Wiedergangs-Schlafzimmermusik von Rhye oder
Publikumsliebling Dan Snaith alias Caribou – bei der ersten Etappe des „The Full
Hit Of Summer“-Festivals in der Arena gastieren (Beginn: 17:30 Uhr). Und auch
für die Fortsetzung am 18. August mit The War On Drugs und Father John Misty
gilt: Karten sichern, dabei sein!
(Wiener Zeitung, 26.6.2015)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen