Donnerstag, Juni 25, 2015

Junge Väter und andere Freunde

Ab Montag findet in Wien mit u.a. den Young Fathers das „The Full Hit Of Summer“-Festival statt

Noch in der Steinzeit vor dreißig Jahren hat man gesagt: Jungväter, oft sind sie nicht zuhause, und wenn, dann schlafen sie ihren Rausch aus. Zum 15. Geburtstag schleimen sie sich mit einem Moped ein, und in den Jahren davor hat der Nachwuchs nur eine Frage: „Mutter, sag mir, wer ist der Mann?“

Heute schieben Jungväter nicht nur locker 60 Stunden Dienst im 40-Stunden-Job, sondern dazwischen auch das Kinderwagerl von der Krabbelkrippe heimwärts. Kochen und pädagogisch wertvolles Spielen auf einmal? Gar kein Problem! Dafür kennt die Brut deinen Vornamen („Herbert, nicht schon wieder Spaghetti!“) und sagt vielleicht „Bitte“, wenn sie einmal Geld braucht von dir.

Kritische Interventionen

Warum die Young Fathers aus Edinburgh nun ausgerechnet Young Fathers heißen, hat allerdings nichts mit einem geplagten Leben als Erziehungsberechtige zu tun. So viel man weiß, sind die drei Bandmitglieder im Alter von je 27 Jahren noch kinderlos. Als weiteren gemeinsamen Nenner teilt man sich allerdings den Umstand, die Namen der eigenen einstigen Erzeuger zu tragen, und - solchermaßen sich als Young Fathers bezeichnend - wohl auch den Zeitmangel, der Jungfamilien mehr als vertraut ist.

Bekannt wurde das Trio im Vorjahr, als es für sein mit wenig Radio-Airplay bedachtes Album „Dead“ den renommierten, nicht für Verkaufszahlen, sondern künstlerisches Gewicht verliehenen britischen Mercury Prize einheimsen und sich somit gegen haushohe Favoriten wie Damon Albarn oder FKA twigs durchsetzen konnte. Nur wenige von atemloser Konzerttätigkeit und Aufnahmesessions in mehreren Ländern bestimmte Monate später lag dann bereits ein Nachfolger vor. „White Men Are Black Men Too“ (Big Dada) kündete bereits von seinem Titel her, dessen Entstehungsgeschichte auch mit einem PR-Waschzettel des Labels dokumentiert und diskutiert wurde, von einer Nähe zu ernsten Themen wie, in diesem Fall, Hautfarbe und Ethnizität. Und auch die von einer kritischen Intervention abgeschlossene Unterwanderung einer Anfrage des Nestlé-Konzerns, einen Song der Band für die Eistee-Werbung verwenden zu dürfen, wies die Schotten als redliche junge Leute aus.

Musikalisch war das heuer im April erschienene Album, das am Jahresende erneut auf zahlreichen Bestenlisten zu finden sein wird, nicht nur in seiner Kompromisslosigkeit erstaunlich. Immerhin wurden die Ecken und Kanten angesichts des plötzlichen Popularitätsschubs keineswegs abgeschliffen. Zugänglich ist die Musik der Young Fathers zwar insofern, als sie weitgehend auf hübsche Melodien und etwa liebliches Glockenspiel vertraut. All das verbirgt sich aber bevorzugt hinter einem garagistischen Lo-Fi-Sound, der an alte, mit hohem Bandrauschen aufwartende Kassettendeckkopien denken lässt.

Geschepper und Gerassel

Eklektisch kommt zu tracknahe arrangierten Momenten („Feasting“), frei zwischen Hip-Hop- und Soul-Elementen flottierenden Songs und vokalen Stellungswechseln vom Preacher-Man zum Oberschamanen jede Menge Geschepper und Gerassel. Man hört dunkle Zwischenspiele ebenso wie beschwingt auf die Gospelmesse zurückgehende Klaviermelodien. Dann kann diese Musik in bester Soulmanier mit Handclaps so „uplifting“ sein, dass man einfach nur tanzen möchte. Nicht selten ist auch von den Harmonien her ein Vergleich mit TV On The Radio möglich, wenn diese auf einen kaputteren Kellersound geschworen hätten, als sie noch spannend waren.

Erstmals live in Wien kann man die Young Fathers nun am kommenden Montag erleben, wenn sie – etwa auch neben der Sade-Wiedergangs-Schlafzimmermusik von Rhye oder Publikumsliebling Dan Snaith alias Caribou – bei der ersten Etappe des „The Full Hit Of Summer“-Festivals in der Arena gastieren (Beginn: 17:30 Uhr). Und auch für die Fortsetzung am 18. August mit The War On Drugs und Father John Misty gilt: Karten sichern, dabei sein!

(Wiener Zeitung, 26.6.2015)

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