Donnerstag, Juli 02, 2015

„Dingeling-däng-däng“ – und Alf am Saxofon!

Der rastlose US-Musiker Ezra Furman und sein neues Album „Perpetual Motion People“

 Erst diese Woche hatte die Zeit zur Abwechslung einmal die Spendierhosen an. Immerhin wurde uns in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine geschlagene Sekunde geschenkt. Das war nun kein selbstloser Akt, sondern angeblich der Erdrotation geschuldet – für Details bitte bei Albert Einstein, Google oder Gunkl nachfragen –, in Zeiten der allgemeinen Beschleunigung durfte man sich darüber aber auf jeden Fall freuen. Einatmen, ausatmen. Rüssel-rüssel, pfeif, schnarch! Der frühe Vogel fängt den Wurm und den Letzten beißen die Hunde, so war es schon immer, allerdings stand es anno dazumal nicht auch noch in Echtzeit auf Twitter.

Der 28-jährige US-Musiker Ezra Furman hat in Sachen Rastlosigkeit nicht nur deshalb etwas zu sagen, weil er neben einer Never-ending-Konzertochsentour durch die Clubs zwischen 2007 und dem heutigen Tag ganze sechs Alben veröffentlichte. Auch die Ablehnung einer wie auch immer gearteten bürgerlichen Sesshaftwerdung – obwohl (oder gerade weil) der Mann aufgrund seiner ehemaligen österreichischen Plattenfirma und Bookingagentur genug Zeit bei uns verbracht haben dürfte, um Studien in Sachen Bewegungslosigkeit und Stillstand durchzuführen – und das Bekenntnis zum vollen Leben mit all seinen Verlockungen und Komplikationen standen hier schon immer auf dem Programm. Mit „Perpetual Motion People“ (Bella Union / Pias Coop) legt der aus Chicago gebürtige und derzeit von San Francisco aus die Flucht in die Flucht antretende Songwriter aber eine Art Konzeptarbeit vor, die eine einst von der Band Kreisky mit „Wann sind wir endlich daheim? Wir sind nie daheim!“ auf den Punkt gebrachte Lebenseinstellung in allen Details durchdekliniert.

Heiter bis heulsusig

Das dabei besungene „Ordinary Life“ muss mit allen Mitteln zurückgeschlagen werden, was Ezra Furman von einem Hang zur „Ausgeflipptheit“ zwar grundsätzlich erleichtert wird und über die Verhandlung der eigenen Queerness noch zu thematischen Ausflügen in Richtung „Ich gehör nur mir!“-Köperidentitäts- und Genderfragen draußen in der gleich eingangs von „Restless Year“ skizzierten freien Wildbahn führt. Andererseits kann eine gelegentlich als Kampf gegen Windmühlen empfundene Haltung wider das System in schwachen Momenten des Alles-infrage-Stellens auch ziemlich heulsusig und depri machen.

Musikalisch findet diese Zweischneidigkeit ihren Widerhall, indem Ezra Furman mit seiner aktuellen Begleitband The Boyfriends, bestem Songwritertum der alten Schule und hatscherten Kaschemmenwalzern wie „Hour Of Deepest Need“ zu Beserlschlagzeug und Honky-Tonk-Klavier zwischendurch nicht nur eine Träne auf Reisen schickt – ergreifende Textzeilen wie „And if the turntable still starts, you can teach me how to waltz, and Iʼll teach you how to feel really, really bad“ inklusive. Der heiter zwischen Schrammelgitarren und erhöhtem Popfaktor schwingende Kern des Albums aber wird von Furman verspielter denn je arrangiert. Neben stilistischen Hilfsmittelchen wie Boogie-Gitarren, souly Bläsersätzen, Handclaps, Vintage-Schmalz und überzeichnet comichaften Doo-Wop-Gesängen – Dingeling-däng-däng! Woaaah-oh! – ist auch das eine oder andere cheesy Saxofonsolo dabei, wie es für das Titelthema der Serie einst von Alf höchstpersönlich eingespielt wurde.

Keine Frage, diese Musik muss man mögen. Auch ohne weiteres Vorstellen der Zeit auf dem Chronografen sind die 42 Spielminuten am Ende jedenfalls schnell vergangen. Speed on!

(Wiener Zeitung, 3.7.2015) 

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