Thomas Maurer widmet
sich mit seinem Soloprogramm „Zukunft“ dem Kommenden und der Technik.
„I’ve
seen the future, brother. It is murder!“ Für Leonard Cohen fiel die Betrachtung
des Kommenden im Jahr 1992 dystopisch aus. Und bereits Karl Valentin übersetzte
eine von jeder Generation irgendwann im Verlauf ihres Lebens entweder aus
Erfahrung oder zumindest aus Abstumpfung gemachte Erkenntnis in den Antikalenderspruch
„Die Zukunft war früher auch besser“. Vielleicht würde es gerade heute in
Zeiten des tagtäglichen Krisenkinos zwischen Klimawandel, Migrationselend,
anachronistisch dräuender Atombombengefahr oder zumindest schon wieder
steigenden Bierpreisen (Schweinerei!) die nüchtern-kluge Analyse eines Victor
Hugo benötigen, der es einmal so formuliert hat: „Die Zukunft hat viele Namen:
Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für
die Mutigen die Chance.“
Thomas
Maurer jedenfalls denkt zunächst auch an das uns unmittelbar Bevorstehende in
Form einer Neuauflage von Schwarz-Blau, die ungefähr so sinnvoll sei, „wie sich
die Milchzähne noch einmal einsetzen lassen“. Nach etwas politischer Wuchteldruckerei
per Videozuspieler wird Maurer im Wiener Stadtsaal aber nicht nur in Fleisch
und Blut erscheinen, weil er von seinem letzten Konzertausflug in die
Mehrzweckhalle weiß, dass auch Damon Albarn trotz Unterstützung seiner
virtuellen Band Gorillaz bei der Arbeit noch schwitzen muss – eine alte Showbusinessregel
lautet: „Der Künstler muss leiden. Oder zumindest da sein.“ Dem mit 16 Soloprogrammen
seit dem Jahr 1988 bekanntlich umtriebigen Kabarettisten wäre als Hologramm
oder Avatar mit sehr viel Tagesfreizeit und keinem Bühnenauftrag wohl auch
erheblich zu fad.
Ein Telefon ohne
Kabel
Als
einen Mitgrund dafür, dass er die Zukunft heute vor allem in technologischer Hinsicht
verhandelt, hat Maurer übrigens den Communicator von Captain James T. Kirk aus „Star
Trek“ mit auf die Bühne gebracht. Der war einst sehr faszinierend. Heute jungen
Menschen ist das nur schwer zu erklären, aber früher galt es als eher utopisch,
dass Telefone einmal keine Wählscheibe oder Kabel mehr haben könnten – oder zu
mehr gut sein sollten als zum Telefonieren. Diese Amis immer und ihr Science-Fiction-Schas!
Von Deep-Learning-Systemen und Algorithmus-Jazz, der überzeugenderweise wie von
echten Klassikstudenten gespielt „sogar a bisserl gschissn klingt“, über uns
überwachende Technik, „die bei Promischeidungen noch dazu führt, dass der
Familienkombi in den Zeugenstand kommt“, bis hin zu den Forschungsbestrebungen im
Silicon Valley in Sachen Lebensverlängerung reichen die Themen. Von der
Schmach, Hilfe vom eigenen Nachwuchs bei IT-Problemen zu brauchen, einmal ganz
abgesehen. Thomas Maurer kennt sich da aus! Und er ist sehr lustig.
Gute
Entwicklungen – wie in der Medizin – gibt es zwar auch. Stichwort menschliches
Ersatzteillager. „Der männliche Menschheitstraum: endlich zum Arzt gehen wie
zum Mechaniker!“ Dafür wiederum ist „die schleichende Entwertung des sinnlosen
Wissens“ durch das Smartphone zu beklagen. Jeder, dem – wie Maurer – einmal ein
Googler zuvorkam, als er gerade aus dem Effeff über die Geschichte der
Mayonnaise im alten Rom referieren wollte, kann es nachvollziehen.
Davor
und danach bringt „Zukunft“ (Regie: Petra Dobetsberger) auch das kindliche und
jugendliche Ich Maurers auf die Leinwand und wagt eine Vorschau auf das Morgen mit
dem Kabarettisten als Salafist in der Pensi oder als Modernisierungsverlierer
am Rollator. Der Technikwandel ist ein Quantensprung – und keine Schwingkopfinnovation
aus der Dentalhygiene.
(Wiener Zeitung, 16./17.12.2017)
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