Schlechte
Laune hat popkulturell immer Saison. Spätestens seit dem Aufkeimen der Punk-Ära
samt immanenter Leistungsverweigerung, einem grundlosen Hass auf alles und
jeden - auch und vor allem auf sich selbst - und der daraus resultierenden
Misanthropie als Weltsicht und Weg gilt, dass man außer auf heiteren Nihilismus
und heillose Hoffnungslosigkeit gerne auch auf Selbstverwahrlosung und
Depression setzen kann. Wichtig auch, sich darin zu suhlen und hinsichtlich
jedweder Hilfestellung Beratungsresistenz zu beweisen. (Post-)Adoleszenter
Weltschmerz als Coda der Trotzphase, aber pssst! Hier müssen vor allem wir
Männer durch. Wer braucht schon einen Lösungsansatz, wenn er sich auch selbst
bemitleiden kann? Und was wären die Filmbranche und die Literatur überhaupt
ohne Männer auf dem Weg nach unten? No future! Schluss, aus. Vorbei, aber
Moment! Zeit für einen letzten Schnaps muss noch bleiben.
Isolation
Berlin um Sänger und Texter Tobias Bamborschke beziehen diesbezüglich bereits
mit ihrem Bandnamen Position. Der inkludiert neben Ian Curtis, dem am
Pop-Heiligenschrein in Plattenspielerform verehrten Düsterfürsten des
Post-Punk, seiner Band Joy Division und deren Klassiker "Isolation"
auch den internationalen Ausschweifungshotspot Berlin, der historisch die enge
Künstlerenklave mit dem Krieg im Rücken so kalt ebenso meint, wie er nach dem
Mauerfall samt Umsturz für nächtliche Abstürze steht. Der Kreislauf des Lebens
vom Bett zum Späti in den Club und wieder von vorn. Abgerockt sexy.
Nach
dem merkbar den lyrischen Ambitionen seines Sängers geschuldeten Debütalbum
"Und aus den Wolken tropft die Zeit" (2016) hat das Quartett soeben
seinen zweiten Streich vorgelegt, der nicht nur mit dem Titel "Vergifte
dich" (Staatsakt) keinen Deut mehr Hoffnung aufkommen lässt. Immerhin hört
man hier bereits zum Auftakt bei "Serotonin" ein lyrisches Ich, das
sich im Supermarkt darauf vorbereitet, "ein paar Fressen" zu
polieren. Kaum vorzustellen, dass die Welt einmal ein Ort war, an dem es noch
keine Hassposter gab - und junge Männer ihre plumpe Alltagsaggression noch
mühsam im öffentlichen Raum kundtun mussten.
Und
keine Frage: Bei allen alltagsgrau-desperaten Noten und den wiederholten
Momenten der Todessehnsucht ist "Vergifte dich" eher kein Album, das
sich für den ersten Kaffee des Tages gut eignen wird. Man könnte auf die Idee
kommen, sich noch einmal hinlegen oder verzweifeln zu wollen - auch wenn die
Inhalte (nennen wir es einen mildernden Umstand) als angeschunkelter
Gitarrenpop, tanzbarer Abzählreim-Punk oder Mitsingrefrain daherkommen mögen.
Im Falle des mit seinem abgebremsten Noir-Groove musikalisch gewinnenden
"Wenn ich eins hasse, dann ist das mein Leben" kratzt Bamborschke
dann aber eh noch beinahe die Kurve. Mit der Zeile "Und wenn ich noch was
hasse, dann diesen Hass" gibt er so etwas wie den Hass-Schlumpf des
deutschen Gitarrenrock. Muffi Schlumpf hat man seinerzeit ja schon in der
Trotzphase sehr ins Herz geschlossen.
Dass
die Band am 4. April im Wiener Fluc auftreten wird, trifft sich also nicht nur
aufgrund besungener dahingehender Sehnsüchte gut ("Mitten in Berlin /
träume ich von Wien"). Auch dürfte Isolation Berlin an der hiesigen
Hauptstadt gefallen, dass man sie seit Falco so schön auf "hin, hin,
hin" reimen kann.
(Wiener Zeitung, 2.3.2018)
(Wiener Zeitung, 2.3.2018)
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