Samstag, März 03, 2018

Hoffnungslos und hin, hin, hin

Die deutsche Band Isolation Berlin veröffentlicht ihr alltagsgraues zweites Album "Vergifte dich".

Schlechte Laune hat popkulturell immer Saison. Spätestens seit dem Aufkeimen der Punk-Ära samt immanenter Leistungsverweigerung, einem grundlosen Hass auf alles und jeden - auch und vor allem auf sich selbst - und der daraus resultierenden Misanthropie als Weltsicht und Weg gilt, dass man außer auf heiteren Nihilismus und heillose Hoffnungslosigkeit gerne auch auf Selbstverwahrlosung und Depression setzen kann. Wichtig auch, sich darin zu suhlen und hinsichtlich jedweder Hilfestellung Beratungsresistenz zu beweisen. (Post-)Adoleszenter Weltschmerz als Coda der Trotzphase, aber pssst! Hier müssen vor allem wir Männer durch. Wer braucht schon einen Lösungsansatz, wenn er sich auch selbst bemitleiden kann? Und was wären die Filmbranche und die Literatur überhaupt ohne Männer auf dem Weg nach unten? No future! Schluss, aus. Vorbei, aber Moment! Zeit für einen letzten Schnaps muss noch bleiben.

Isolation Berlin um Sänger und Texter Tobias Bamborschke beziehen diesbezüglich bereits mit ihrem Bandnamen Position. Der inkludiert neben Ian Curtis, dem am Pop-Heiligenschrein in Plattenspielerform verehrten Düsterfürsten des Post-Punk, seiner Band Joy Division und deren Klassiker "Isolation" auch den internationalen Ausschweifungshotspot Berlin, der historisch die enge Künstlerenklave mit dem Krieg im Rücken so kalt ebenso meint, wie er nach dem Mauerfall samt Umsturz für nächtliche Abstürze steht. Der Kreislauf des Lebens vom Bett zum Späti in den Club und wieder von vorn. Abgerockt sexy.

Nach dem merkbar den lyrischen Ambitionen seines Sängers geschuldeten Debütalbum "Und aus den Wolken tropft die Zeit" (2016) hat das Quartett soeben seinen zweiten Streich vorgelegt, der nicht nur mit dem Titel "Vergifte dich" (Staatsakt) keinen Deut mehr Hoffnung aufkommen lässt. Immerhin hört man hier bereits zum Auftakt bei "Serotonin" ein lyrisches Ich, das sich im Supermarkt darauf vorbereitet, "ein paar Fressen" zu polieren. Kaum vorzustellen, dass die Welt einmal ein Ort war, an dem es noch keine Hassposter gab - und junge Männer ihre plumpe Alltagsaggression noch mühsam im öffentlichen Raum kundtun mussten.

Und keine Frage: Bei allen alltagsgrau-desperaten Noten und den wiederholten Momenten der Todessehnsucht ist "Vergifte dich" eher kein Album, das sich für den ersten Kaffee des Tages gut eignen wird. Man könnte auf die Idee kommen, sich noch einmal hinlegen oder verzweifeln zu wollen - auch wenn die Inhalte (nennen wir es einen mildernden Umstand) als angeschunkelter Gitarrenpop, tanzbarer Abzählreim-Punk oder Mitsingrefrain daherkommen mögen. Im Falle des mit seinem abgebremsten Noir-Groove musikalisch gewinnenden "Wenn ich eins hasse, dann ist das mein Leben" kratzt Bamborschke dann aber eh noch beinahe die Kurve. Mit der Zeile "Und wenn ich noch was hasse, dann diesen Hass" gibt er so etwas wie den Hass-Schlumpf des deutschen Gitarrenrock. Muffi Schlumpf hat man seinerzeit ja schon in der Trotzphase sehr ins Herz geschlossen.

Dass die Band am 4. April im Wiener Fluc auftreten wird, trifft sich also nicht nur aufgrund besungener dahingehender Sehnsüchte gut ("Mitten in Berlin / träume ich von Wien"). Auch dürfte Isolation Berlin an der hiesigen Hauptstadt gefallen, dass man sie seit Falco so schön auf "hin, hin, hin" reimen kann.

(Wiener Zeitung, 2.3.2018)

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