Musikalischen
Feinspitzen mit Neigung zu mehr Schatten als Licht bekannt ist die Frau
spätestens seit ihrem internationalen Debütalbum "Ceremony" von 2013.
Darauf beeindruckte Anna von Hausswolff in Zeiten der künstlerischen
Uniformität nicht nur mit einer hörbar bereits gefundenen eigenen
Formensprache. Vor allem auch überraschte die schwedische Organistin und
Songwriterin mit einer für ihr Alter von damals gerade erst 26 Jahren äußerst
ungewöhnlichen Orientierung am Jenseits.
Pumpen und
Pochen
Zwischen
vertonten Grabinschriften und auf dem Papier beklemmenden Songtiteln wie
"Funeral For My Future Children" sorgte diese gerne an einer
9000-Pfeifen-Orgel errichtete und dabei oft sterbensschöne Musik in ihrer
Neigung zum akustischen Trauerflor aber weniger für Atemnot, Panikattacken oder
Eine-Woche-im-Bett-Depressionen. Gerade auch live mit einer auf Pumpen, Poltern
und Pochen gestimmten Band samt mächtigen Doom-Gitarren und zähen Black-Sabbath-Drums
war und ist die Kunst von Anna von Hausswolff eindeutig auch eine Kunst der
Reinigung, eine Kunst der Katharsis. Verwurzelt im Düsterfolk ebenso wie in der
Moor- und Sumpfmystik ihrer schwedischen Heimat und hingezogen zum Lärmrock
alter Grantscherben wie Michael Gira und seinen Swans, mit denen die Musikerin
im Jahr 2016 konsequenterweise auch gemeinsam auf Tour ging, erwies sich von
Hausswolff selbst in möglichen Verschnaufpausen vom Orgelspiel als Frau, die
alle Register zieht.
Ihrem
am kommenden Freitag erscheinenden neuen Album mit dem programmatischen Titel
"Dead Magic" (City Slang) stellt von Hausswolff nun leitmotivisch ein
knappes Zitat des schwedischen Schriftstellers Walter Ljungquist (1974) voran,
das ein Zeitalter ohne Stille und Geheimnisse beklagt, in dem keine Magie mehr
entstehen kann. Das gilt gerade auch heute in der Ära des Internets, das als
leistungsstarker Entmystifizierungsmotor auf Mausklick Legenden entzaubert.
Irgendwo zwischen der Aura des Todes und - musikalisch mit Klangnebel und
zugelassenen Momenten des Auseinanderdriftens und des Zerfalls dargestellt -
der Auflösung und dem Verschwinden als zentrale Themen geht es auch diesmal
wieder recht einnehmend um das Letzte.
Anna
von Hausswolff genügen dafür kurze, stakkatohaft auf das Wesentliche
beschränkte Texte: "Through me I feel eternal anxiety. Through me into a
hole. I’m walking through a darkness. No image. No words. No time before me. No
time after me. He has erased me." Von schamanisch-beschwörendem
Orgien-Mysterien-Gewisper über entrücktes melismatisches Gesumme hin zum
hysterischen Aufbegehren einer Drama Queen der letzten Tage ist dabei auch
vokal jederzeit alles möglich.
Ersatzreligiöse
Gefühle
Harmonisch
prägnant wie nur wenig mehr auf diesem Album eröffnet "The Truth, The
Glow, The Fall" in sonischer Schönheit mit elegischen Begräbnisstreichern
und einem finalen Glockenschlag vom Kirchturm herüber. "The Mysterious
Vanishing Of Electra" huldigt der musikalischen Grundlagenarbeit Ennio
Morricones für den Spaghetti-Western. Zwei Halunken greifen zur Pistole.
Aasgeier kreisen bereits über der Wüste. Und man darf sich die Frage stellen, wer die hier Besungene eigentlich ist: Electra, die Plejade,
Electra, die Tochter von Klytaimnestra und Agamemnon, oder gar Anna Michaela
Ebba Electra von Hausswolff selbst?
"The
Marble Eye" wiederum ist eine Meditation auf der Orgel der Marmorkirken in
Kopenhagen, die ersatzreligiöse Gefühle aufkommen lässt. Und im Gleitflug mit
friedlicher Note und Engelsstimme schwebt Anna von Hausswolff zum Abschluss des
Albums schließlich nach "Källans ateruppstandelse" davon: "To
mark my home / The glorious I shall become / To dissolve myself into emptiness
/ And to rise again with one stone less."
Im
Zentrum des von Randall Dunn (Sunn O))), Earth) produzierten Albums aber steht
das nicht nur aufgrund seiner Spielzeit von rund 16 Minuten monolithische
"Ugly And Vengeful", bei dem nach einem Drone-Intro, etwas hübschem
Horrorambiente und nachdrücklich-rituellem Trommelgepolter noch die Hölle
losbricht. "Down to the foot I sink / Cursed by his faith."
Danach
fühlt man sich aber erstaunlich lebendig. Wie gesagt, auch mit Katharsis kennt
sich Anna von Hausswolff gut aus.
(Wiener Zeitung, 25./26.2.2018)
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