Samstag, Februar 24, 2018

Die Frau, die alle Register zieht

Die schwedische Musikerin Anna von Hausswolff und ihr neues Album "Dead Magic".

Musikalischen Feinspitzen mit Neigung zu mehr Schatten als Licht bekannt ist die Frau spätestens seit ihrem internationalen Debütalbum "Ceremony" von 2013. Darauf beeindruckte Anna von Hausswolff in Zeiten der künstlerischen Uniformität nicht nur mit einer hörbar bereits gefundenen eigenen Formensprache. Vor allem auch überraschte die schwedische Organistin und Songwriterin mit einer für ihr Alter von damals gerade erst 26 Jahren äußerst ungewöhnlichen Orientierung am Jenseits.

Pumpen und Pochen

Zwischen vertonten Grabinschriften und auf dem Papier beklemmenden Songtiteln wie "Funeral For My Future Children" sorgte diese gerne an einer 9000-Pfeifen-Orgel errichtete und dabei oft sterbensschöne Musik in ihrer Neigung zum akustischen Trauerflor aber weniger für Atemnot, Panikattacken oder Eine-Woche-im-Bett-Depressionen. Gerade auch live mit einer auf Pumpen, Poltern und Pochen gestimmten Band samt mächtigen Doom-Gitarren und zähen Black-Sabbath-Drums war und ist die Kunst von Anna von Hausswolff eindeutig auch eine Kunst der Reinigung, eine Kunst der Katharsis. Verwurzelt im Düsterfolk ebenso wie in der Moor- und Sumpfmystik ihrer schwedischen Heimat und hingezogen zum Lärmrock alter Grantscherben wie Michael Gira und seinen Swans, mit denen die Musikerin im Jahr 2016 konsequenterweise auch gemeinsam auf Tour ging, erwies sich von Hausswolff selbst in möglichen Verschnaufpausen vom Orgelspiel als Frau, die alle Register zieht.

Ihrem am kommenden Freitag erscheinenden neuen Album mit dem programmatischen Titel "Dead Magic" (City Slang) stellt von Hausswolff nun leitmotivisch ein knappes Zitat des schwedischen Schriftstellers Walter Ljungquist (1974) voran, das ein Zeitalter ohne Stille und Geheimnisse beklagt, in dem keine Magie mehr entstehen kann. Das gilt gerade auch heute in der Ära des Internets, das als leistungsstarker Entmystifizierungsmotor auf Mausklick Legenden entzaubert. Irgendwo zwischen der Aura des Todes und - musikalisch mit Klangnebel und zugelassenen Momenten des Auseinanderdriftens und des Zerfalls dargestellt - der Auflösung und dem Verschwinden als zentrale Themen geht es auch diesmal wieder recht einnehmend um das Letzte.

Anna von Hausswolff genügen dafür kurze, stakkatohaft auf das Wesentliche beschränkte Texte: "Through me I feel eternal anxiety. Through me into a hole. I’m walking through a darkness. No image. No words. No time before me. No time after me. He has erased me." Von schamanisch-beschwörendem Orgien-Mysterien-Gewisper über entrücktes melismatisches Gesumme hin zum hysterischen Aufbegehren einer Drama Queen der letzten Tage ist dabei auch vokal jederzeit alles möglich.

Ersatzreligiöse Gefühle

Harmonisch prägnant wie nur wenig mehr auf diesem Album eröffnet "The Truth, The Glow, The Fall" in sonischer Schönheit mit elegischen Begräbnisstreichern und einem finalen Glockenschlag vom Kirchturm herüber. "The Mysterious Vanishing Of Electra" huldigt der musikalischen Grundlagenarbeit Ennio Morricones für den Spaghetti-Western. Zwei Halunken greifen zur Pistole. Aasgeier kreisen bereits über der Wüste. Und man darf sich die Frage stellen, wer die hier Besungene eigentlich ist: Electra, die Plejade, Electra, die Tochter von Klytaimnestra und Agamemnon, oder gar Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff selbst?

"The Marble Eye" wiederum ist eine Meditation auf der Orgel der Marmorkirken in Kopenhagen, die ersatzreligiöse Gefühle aufkommen lässt. Und im Gleitflug mit friedlicher Note und Engelsstimme schwebt Anna von Hausswolff zum Abschluss des Albums schließlich nach "Källans ateruppstandelse" davon: "To mark my home / The glorious I shall become / To dissolve myself into emptiness / And to rise again with one stone less."

Im Zentrum des von Randall Dunn (Sunn O))), Earth) produzierten Albums aber steht das nicht nur aufgrund seiner Spielzeit von rund 16 Minuten monolithische "Ugly And Vengeful", bei dem nach einem Drone-Intro, etwas hübschem Horrorambiente und nachdrücklich-rituellem Trommelgepolter noch die Hölle losbricht. "Down to the foot I sink / Cursed by his faith."

Danach fühlt man sich aber erstaunlich lebendig. Wie gesagt, auch mit Katharsis kennt sich Anna von Hausswolff gut aus.

(Wiener Zeitung, 25./26.2.2018)

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