Bezüglich der bereits aufgetauchten, vielleicht
etwas verwirrenden Beschlagwortung "Wiener Lied" ist zu sagen, dass
kein Song mit einem leicht eingspritzten "Haaaaaallo!" beginnt oder
mit einem "Haaa-aalaloo!" endet, das nach einem Mordsdullijö klingt,
den man am besten gleich unter dem Heurigentisch ausschläft. Etwas eingspritzt
ist man natürlich trotzdem, jedenfalls: Die sprachlich und vor allem auch von
den Schauplätzen her eindeutig wienerstädtischen Texte brechen dazu passend
insofern mit dem Klischee, als man bitteschön nicht in Grinzing herumsitzt,
sondern über den Gürtel als Grenzstrich nach Fünfhaus spaziert. Dort geht
Spritzweinkonsum - Stichwort Rudolfscrime! - gerne auch mit MDMA-Schlucken
einher. Brandineser, Call-Shops und Nagelstudios bestimmen das Bild.
Karl Schwamberger (Laokoon-gruppe, Brosd Koal) und
Kristian Musser (Tanz Baby!) legen unter dem Projektnamen Musser &
Schwamberger ein tolles titelloses Debütalbum (Konkord Records) vor, das mit
poetischen Augen auf ein nicht vordergründig romantisches Soziotop mit Gemma
Lugner im Zentrum blickt. Zarte Zupfgitarren und Schwambergers
raunzert-zärtelnder Gesang dominieren den melancholischen Sound. Dazu wird
etwas Vibratoklarinette und dezentes Rascheln und Rauschen aus dem Laptop
gereicht.
Bevor der geografische Radius der elf höchstens nach
Meidling schlenkernden Songs doch zu eng wird - und weil in Wien der Tod immer
wichtig ist -, fährt das Duo dann auch noch himmelwärts und checkt im
metaphysischen Beisl ein, in dem Thomas Bernhard den Kellner gibt, Paul Celan
und Ingeborg Bachmann schmusen und Ernst Jandl poetryslammt. Unten im Diesseits
wiederum präsentieren Musser & Schwamberger ihr Album morgen, Samstag, ab
20 Uhr im Café Weidinger. Ehrensache! Das kommt ja auch in den Texten vor.
(Wiener Zeitung, 23.2.2018)
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