Samstag, März 25, 2023

Danke, eh

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, oder: Was mich mit städtischen Laternenanzündern, Sesselträgern und Fischbeinreißern verbindet. Kolumne im "extra".

Die sozialen Situationen und Gespräche, die sich aufgrund meines Berufes ergeben, sind in letzter Zeit zugegeben etwas speziell. Schließlich duckt man sich in meinem Freundes- und erweiterten Bekanntenkreis bei Zusammenkünften wie (Kinder-)Geburtstagen mittlerweile eher unauffällig weg, winkt höflich aus der Ferne oder drückt sich per „Na, auch da?“ vor allzu Konkretem – während das Gespräch manchmal auch mit Formulierungen wie „Ich weiß ja gar nicht, ob ich fragen soll . . .“, „Eigentlich wollte ich dich ja nicht danach fragen, aber . . .“ oder „Du willst jetzt sicher nicht darüber reden, dass . . .“ eröffnet wird.

Generell scheint da eine Vorahnung zu sein, dass sich der Austausch mit mir als kontraproduktiv erweisen könnte, wenn es darum geht, den eigentlichen Grund des Treffens auch im Weiteren gebührend zu feiern. Ein trauriges Party-Schicksal, das ich wahrscheinlich mit historischen Vorreitern wie städtischen Laternenanzündern, Sesselträgern und Fischbeinreißern teile, deren Berufsfeld irgendwann auch einmal den Bach runterging. Dass angesichts der langsam nahenden näheren Zukunft aber selbst der Glossist in mir nicht mehr als Anwärter auf die Stimmungskanone des Abends gehandelt wird, halte ich dann aber doch für etwas unfair. Ma, he!

Danke an dieser Stelle übrigens an den mir bis dahin nicht persönlich bekannten und wirklich sehr sympathischen Lokalbetreiber, der neulich wissen wollte, was ich eigentlich beruflich so mache, und auf meine Antwort umgehend mit dem Satz „Wir trinken jetzt einen Schnaps!“ reagierte. Tatsächlich schlägt einem bei der Vorstellung als Printjournalist im Allgemeinen oder als Redakteur einer von der Einstellung bedrohten Tageszeitung im Speziellen aktuell in erster Linie Mitleid entgegen. Antworten wie „Danke, eh“ auf die Frage nach der Befindlichkeit werden mit besorgten Blicken oder Visitenkarten quittiert („Mein Therapeut ist ausgezeichnet!“). Nur die bereits vor etwas längerer Zeit eingeholte Auskunft, ob auch Finanzbuchhaltung eine Option für meinen weiteren Lebensweg wäre, kam selbst für mich überraschend.

Hallo, nein?! Als Leser der Romane von Wilhelm Genazino sehe ich mich zukünftig eher als Flaneur, der im zweiten Standbein höchstens Schuhe zur Probe geht („Ein Regenschirm für diesen Tag“) und dabei keine Deadlines mehr einhalten muss. Vor allem und wirklich würde mich – wie 2005 in „Die Liebesblödigkeit“ – aber eine Beschäftigung als freischaffender Apokalyptiker reizen. Wenn Sie meine Texte in dieser Zeitung lesen, wissen Sie, dass ich mitunter schon (sprich derzeit noch) dafür übe.

Dem städtischen Laternenanzünder wurde übrigens der Strom zum Verhängnis, der jetzt insofern eine Rolle spielt, als man uns schon demnächst den Stecker zieht. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Ich weiß das. Aber sagen Sie das einmal meinem Gegenüber! 

(Wiener Zeitung, 25./26.3.2023)

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