Mashup der Volksmusiken: Alexander Marcus vermengt Schlager und Techno. Am 26. November live im Wiener WUK
Alexander Marcus als Trash zu bezeichnen ist unangebracht. Es würde dem Trash zu sehr schmeicheln. Oder wie die Berliner „taz“ einst treffend über die als Youtube-Phänomen bekannt gewordene Kunstfigur urteilte: „So schlecht, dass es schon wieder schlecht ist.“
Alexander Marcus, ausgedacht von und verkörpert durch den ehemaligen Berliner House-DJ Felix Rennefeld, hat nicht nur eine Mission zu erfüllen. Während es musikalisch darum gehen soll, die Klangvorgaben von Techno, House, Italo-Disco, Euro- sowie 80er-Jahre-Elektropop im selbst begründeten „Electrolore“-Genre mit allen Klischeefallen des als „deutsche Folklore“ verkauften, volksdümmlichen Schlagers zu mixen, stilisierte sich der heute 30-Jährige bereits früh als Gesamtkunstwerk ohne Kunstwerk. Mit seit dem Jahr 2006 im Internet verbreiteten Videoclips, in denen der Sänger in weißen Segeltörnslippern und rosa Kaschmirpullovern als Schlagerfuzzi des WWW-Zeitalters Mut zur Hässlichkeit bewies, unterstrich er vor allem eines: Irrsinn kommt noch immer von irren. Der Ideengeschichte der Postmoderne zufolge stand einer Karriere also nichts mehr im Wege.
Sinnentleerung und Nihilismus
Alexander Marcus träumte sich ins Paradies nach „Papaya“: „Die Fischer haben es am Feuer erzählt / da gibt’s ein Land in dem die Liebe regiert / Komm mit mir nach Papaya / Dort wo am Horizont die Sterne uns scheinen / möchte ich mit dir für immer allein sein / Komm mit mir nach Papaya / Papaya, Papaya, Coconut, Banana.“
Er enttarnte die Hoffnung auf eine bessere Welt im dazugehörigen, bis heute über zehn Millionen Mal (!) auf Youtube abgerufenen Video als Heroingespinst und tröstete sich mit einem sichtlich von Michael Jackson inspirierten Klamauktanz. Er bezirzte als Heizdeckenverkäufer ganze Busse von Senioren („Karussell“) und nahm es im Video zu „Sei kein Frosch“ mit einer Bande von Alexander-Marcus-Hassern auf, die am Schluss massakriert werden mussten. Eine Vorgabe zumindest, die das Superhelden-Genre mit dem Schlagerfach gemeinsam hat: Das Gute obsiegt. Immer.
Nach dem so evozierten Hype kam es im Jahr 2008 schließlich zur unvermeidlichen Veröffentlichung des Debüt-Albums „Electrolore“ auf dem Hamburger Label Kontor Records. Nun durften sich auch Feuilleton-Redakteure die Welt und uns alle bewegende Fragen wie „Meint der das ernst?“, „Was zum Teufel?“ und „Warum gerade ich?“ stellen. In den Clubs hingegen kam es zum Tanz durch die ironiehighe Zone: Sternstunden der Sinnentleerung, Weihestunden des Nihilismus. Auch darüber gibt Youtube freudig Auskunft.
In Wien gastiert der Entertainer nun eine gefühlte wie tatsächliche Ewigkeit nach dem Hype um seine Person. Heute sind andere lustige Tiere im Internet weltberühmt. Wer weiß eigentlich, dass im Vorjahr ein weiteres Album von Alexander Marcus („Mega“) erschienen ist? Eben.
Die Homepage des Künstlers lautet im Übrigen www.bekenndich.de
Alexander-Marcus-Fans sind die FPÖ-Wähler der Partyszene: Hinterher will es wieder niemand gewesen sein.
(Wiener Zeitung, 18.11.2010)
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