Marnie Stern, Gitarren-Queen aus New York City, am Freitag in Wien.
Bringt man die Kunst des zweihändigen Gitarren-Tappings, einer Spieltechnik auf dem Griffbrett, über die sogenannte Van-Halen-Triole mit dem gemeinen Pomp-Rock in Verbindung, so muss der automatische Abschaltreflex als einzig richtige wie naturgemäße Reaktion bezeichnet werden. Abteilung Psychologie, Kategorie: Ich brauche meine Nerven noch länger!
Zumindest galt das bis zum Debütalbum der 1976 in New York geborenen Gitarristin und Sängerin Marnie Stern. Nach nicht weiter dokumentierten Anfängen als Folkmusikerin bettete diese auf "In Advance Of The Broken Arm" aus 2007, das wie alle Folgeveröffentlichungen auf dem Label Kill Rock Stars (und hierzulande im Vertrieb von trost Records) erschienen ist, Power-Tapping als systematisches Grundmotiv in einen gänzlich divergenten Kontext ein.
Inspiriert von Yoko Ono oder den spinnerten Indie-Heroen Deerhoof, kümmerte sich Stern um einen gegen den Strich gebürsteten, schwer störrischen Noiserock, der sich vor allem durch seinen hektischen Gestus auszeichnete. Diese zuvorderst vom Rhythmus her kommenden und von Zach Hill am Schlagzeug bravourös gegen die Wand gefahrenen frühen Zeugnisse einer genuinen Künstlerin ließen in ihrer durchaus verspielten Flächenwirkung zwischendurch zwar auch Harmonien zu. Nach der erneuten Wiederholung dieser Formel auf "This Is It And I Am It.. ." erfuhr die Arbeit Sterns mit drastischen Melodiebögen und einer Annäherung an das Songformat aber eine entscheidende Erweiterung.
Kurz: Wenn die mit einem Diplom der NYU für Journalismus auch auf eine akademische Ausbildung zurückblickende Sängerin am Freitag im Wiener B72 auftritt, wird sie dabei nichts weniger vorstellen als ein heimliches Album des Jahres. Auf dem selbstbetitelten Werk, das nun hochemotional in bittersüße Klangwelten entführt, setzt es mit von Stop-and-Go-Dynamik getragenen Stücken wie "For Ash" oder "Transparency Is The New Mystery" auch über ein Mehr an Akkordarbeit große und mächtige Hymnen. Ein Pflichttermin!
(Wiener Zeitung, 2.12.2010)
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