Dienstag, Mai 24, 2011

Nehmet und rauchet davon

Animal Collective erklärten in Wien ihre Ausnahmestellung in Sachen Psychedelik

Kenner, die Animal Collective schon damals gehört haben wollen, als man sich die Band wegen ihrer Vorliebe für ein sich vor allem verweigerndes Experimental-Songwriting nur schwer anhören konnte, wussten sich zuletzt eines zu erzählen: Das um die Jahrtausendwende gegründete Quartett hätte, zumindest für seine Verhältnisse, ungewohnt konventionelle Züge angenommen. Nach Arbeiten, für die schwammige „Genre“-Begriffe wie Freak Folk oder New Weird America erst erfunden werden mussten und mit denen die Band sich selbst und dem Publikum einiges abverlangte, wurde der mit Alben wie „Sung Tongs“ oder „Feels“ vorsichtig eingeläuteten Hinwendung zum Song im weiteren Sinne zuletzt die Krone aufgesetzt. Nachzuhören vor allem auf dem Meisterwerk „Merriweather Post Pavilion“, aus dem mit „My Girls“ vor gut zwei Jahren sogar eine Art Hit hervorging.

In Kenntnis der elektronischen Tanzmusik, afrikanischer Folklore, einer Kunstform namens Psychedelik und ihrer narrischen Schwammerln tönte die Band auch über die Beigabe der aus dem Solowerk ihres kreativen Wunderwuzzis Noah Lennox alias Panda Bear bekannten Beach-Boys-Gedächtnis-Chöre, als hätten sich Philip Glass und Brian Wilson einen Ofen gebaut und dabei Männerfreundschaft geschlossen.

Hinter atmosphärischem Blubbern, Surren und Brutzeln, wabernden Soundflächen und einem Klangbild, das anmutet, als wäre das Album unter Wasser eingespielt worden, wurde die Hörerschaft mit melodischem Mehrwert quasi aus dem Hinterhalt überfallen. Während live vormals geschaut wurde, „was geht“, die Band also ohne fixe Setlist ans Werk schritt, kam es auf der anschließenden Tour zu strukturierteren Werkschauen. Davon konnte am Montag in Wien nicht die Rede sein.

Live mit neuen Songs

In der gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Arena demonstrierte die nach einer längeren Auszeit ihres Gitarristen Josh Dibb alias Deakin wieder zu viert agierende Band pünktlich zum 70. Geburtstag Bob Dylans, dass „live“ zunächst einmal bedeutet, großräumig an der Erwartungshaltung des Publikums vorbeizuspielen. Die Band, die während eines knappen Jahrzehnts und den Solobetätigungen ihrer Mitglieder zum Trotz beachtliche acht Studioalben sowie eine Handvoll EPs einspielte, präsentierte live überwiegend unveröffentlichtes Material. Die hartgesottenen Connaisseure im Publikum nahmen es gelassen zur Kenntnis und bedachten bereits das erste Blubbern mit begeistertem Applaus.

Kennt man die Musik der Band aber als im Normalfall auch nach mehrmaligem Konsum nur schwer greifbar, so erweist sich der Erstkontakt im Konzert als entsprechend fordernd. Ohne die zuletzt opulent zuarbeitenden Gruppengesänge und generell wieder etwas sperriger, fielen die neuen Stücke, die derzeit mit Arbeitstiteln wie „Knock You Down“, „Take This Weight“ oder „Little Kid“ durch das Internet spuken, zwischen wahlweise tribalistischen wie elektronischen Beats überwiegend stark rhythmuszentriert aus. Das blieb, mit Animal Collective als live an „echtem“ Bandinstrumentarium sowie elektronischen Schaltkanzeln tatsächlich Schwerarbeit leistender Kapelle über weite Strecken grundsolide, sprich: Schwach-, aber auch Höhepunkte waren nicht auszumachen.

Kollektiv ohne Zentrum


Vor einer Videoleinwand, auf der krachbunte Farbtupfer den mit Hall und Echo durch die Arena gejagten Sound visuell als ewigen Trip der Neigungsgruppe Halluzinogene übersetzten, gab Deakin den Schüttel-dein-Haar-für-mich-Hippie, während David Portner alias Avey Tare und der wegen seiner Stirnlampe besser als Geologist bekannte Brian Weitz eifrig an den Gerätschaften schraubten. Panda Bear wiederum sang oftmals versteckt hinter dem Schlagzeug und demonstrierte solchermaßen die Eigendefinition einer Band, die nicht nur vom Namen her tatsächlich als Kollektiv arbeitet – und live seltsam unzentriert wirkt.

Für jene zehn Minuten allerdings, in denen Animal Collective zunächst polterten wie die Liars in ihrer Walpurgisnacht-Phase beim Tanz um den Scheiterhaufen, um mit einem Techno-Beat fließend in eine mitreißende Version des schwelgerischen „Summertime Clothes“ überzuleiten, hätte man die Band herzen müssen.

Nicht auszudenken, wenn man diese Musik nicht nur hören, sondern auch rauchen könnte.

(Wiener Zeitung, 25.5.2011)

Keine Kommentare: