Patti Smith im Burgtheater.
Am Anfang, so die große Patti Smith bei ihrem Auftritt im Burgtheater, gebe es zwei Dinge zu sagen. Zunächst möge man ihre Stimme entschuldigen, die von einer Erkältung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Und man möge heute doch bitte fest, ganz fest an Christoph Schlingensief denken, der Patti Smith 2006 erstmals ans Burgtheater brachte. Dann siegt der Knödel im Hals. „I’m sorry!“
Wenig später eröffnet die Sängerin, flankiert von ihrer vierköpfigen Band, den Abend mit „Grateful“. Immerhin müssten wir dankbar sein für die schönen Momente, die hinter uns liegen. Und dann das Gute im Morgen suchen. Vor dieser richtigen wie bei Smith gerne esoterisch gedeuteten Erkenntnis muss man auch die Biografie dieser Ikone lesen.
1946 in arme Verhältnisse geboren, schlägt sich Patti Smith nach ihrer Schulausbildung als Fabriksarbeiterin durch. Das Kind, das sie im Alter von 18 Jahren gebiert, gibt sie zur Adoption frei, weil sie es nicht ernähren könnte. Patti Smith verdingt sich in Paris als Straßenkünstlerin und beginnt in New York, Punk lyrisch aufzuladen. Beeinflusst von den Autoren der Beat Generation und Arthur Rimbaud, entstehen auf Arbeiten wie dem von John Cale produzierten Debüt „Horses“ oder „Easter“ Songtexte von literarischer Güte. Als Smith in den 80er-Jahren und nachdem sie sich knapp ein Jahrzehnt um ihre Familie gekümmert hatte, zum Comeback ansetzt, schlägt das Schicksal zu. Sie verliert mit dem Fotografen Robert Mapplethorpe ihren Soul-Brother; es folgen ihr Ehemann Fred, ihr Bruder Todd und ihr Keyboarder Richard Sohl.
Wanderung mit Zuversicht
Im Burgtheater, wo Smith dann doch nicht auch aus ihrem autobiografischen Buch „Just Kids“ las, um stattdessen ein knapperes Akustik-Set zu spielen, stand aber die Zuversicht im Vordergrund: „Paths That Cross“ („Will cross again“). Der schamanische „Ghost Dance“ wiederum beschwor den Geist der Toten zu tribalistischem Getrommel.
Dazwischen erwies sich Patti Smith nicht nur mit gewitzten Ansagen als begnadete Entertainerin. Mit viel Spaß an der Arbeit spazierte die Sängerin durch die Sitzreihen, bespuckte den Bühnenboden und entfachte mit dem näher an ihren Spoken-Word-Performances gehaltenen „Birdland“ die energetische Wucht, für die man ihre unter Strom gesetzten Konzerte ansonsten kennt. In dieser Hinsicht stand der Höhepunkt nach vergleichsweise müden Versionen der freilich noch immer famosen Klassiker „Because The Night“ und „Dancing Barefoot“ mit „Rock N Roll Niger“ am Ende. „Outside of society, that’s where I want to be“ – mit Patti Smith als Rädelsführerin aller Outcasts stimmte man sehr gern in den Chor ein.
(Wiener Zeitung, 1.6.2011)
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