Die kultisch verehrte
US-Band Melvins triumphierte in der Wiener Arena
Was ist Blasphemie? Am Beispiel der Melvins die Randnotiz, dass man einem synchron spielenden Schlagzeugdoppel zuletzt ausgeliefert war, als Ringo Starr in der Arena gastierte.
Solchermaßen bei Glaubensfragen gelandet, bestätigte sich am
Montag am selben Ort: Die Melvins sind keine Band. Sie sind eine Religion,
deren Gefolgschaft so treu ist wie erlesen. Während die katholische Kirche erlernt,
wie man sich selbst dezimiert, hielt die US-Formation ihre Gemeinde exklusiv
wie schon die Church of Satan.
In ihrer Nische kümmert sich das Quartett um Buzz Osborne (Git)
und Dale Crover (Dr) um eine Verarbeitung des Hardrock der 70er-Jahre. Dieser
wird von den Solos befreit, im Tempo gedrosselt und experimentell aufgebrochen:
gepflegter Irrsinn als heiliger Ernst. Davor ging auch Kurt Cobain in die Knie,
der den Melvins zu einem Major-Label-Vertrag verhalf, den man drei Alben später
als „Phase“ abhaken durfte. Aufgefangen von Mike Patton, kooperierten die
Melvins auf Dröhnland mit Lustmord und verorteten sich mit Live-Soundtracks
auch noch im Kino.
Bohrende Bässe
In der Arena wurde aus dem gut 20 Alben starken Gesamtwerk geschöpft.
Zum aktuellen Material gesellten sich Songs aus „Stoner Witch“ oder „Bullhead“,
wobei sich Jared Warren am Bass als Gladiator im Cäsarenwahn inszenierte, während
Buzz Osborne, den man sich vorstellen muss als eine Mischung aus Robert Smith
von The Cure und Tingeltangel Bob von den Simpsons, sein Haar für uns
schüttelte.
Zu Songs wie „Hung Bunny“ sägten und schliffen die Gitarren.
Der Bass bohrte sich in den Magen, das Doppelschlagzeug, polternd, vernichtete
sein Werk. Ein Konzert, so groß und mächtig wie das stärkste Glied in der
Kette, das sich im laut-und-luisen „Lizzy“ oder im stampfenden „A History Of
Bad Men“ finden ließ.
Bestärkt im Glauben verließ man die Kirche. Frei nach Nick Cave: Halle-fucking-lujah!
(Wiener Zeitung, 12.10.2011)

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