Die Kunst,
Widerstände zu überwinden, ist hier eventuell nicht nur für den ungeschulten
Hörer vonnöten. Immerhin machen Falsettgesänge, wie man sie seit den Zeiten
eines Jimmy Sommerville nicht mehr gehört hat, und Billigkeyboards, die kräftig
plingen und plongen, zwar den Anfang – sie bestimmen das Album dann aber auch
zu weiten Teilen. Hat man sich erst an den Sound gewöhnt, den Patrick Weber
alias Crazy Bitch in A Cave als Musikant mit dem Taschenrechner in der Hand im
Heimstudio großzieht, wird man allerdings reichlich belohnt. Hinter dem
Paravent hält sich ein erstaunlicher Songwriter versteckt.
Seine Kreise durch die sogenannte Szene dreht Weber schon
seit einigen Jahren. In einschlägigen Clubs wie dem Fluc am Wiener Praterstern
oder dem Rhiz am Lerchenfelder Gürtel ist er als regelmäßiger Live-Gast
anzutreffen, der vor allem für eines geschätzt wird: Crazy Bitch In A Cave liebt
den Glamour – eine Disziplin, die es im heimischen Pop historisch betrachtet nie
leicht hatte. Schließlich baut sie auf große Gesten, die in einem kleinen Land
nur dann ignoriert werden können, wenn sie die Spinner von London, New York und
Berlin möglichst in Tokio kultivieren. Weber sieht diesbezüglich einiges
anders. Es schillert und glitzert, wenn er die Bühne betritt, um in seine
Kunstwelt zu entführen. Man muss sich den Mann mit dem ins Bodenlose fallenden
Haar als einen moderenen Alleinunterhalter vorstellen, dem es nicht nur um die
Musik geht. Mit Laptop, gelegentlicher Unterstützung in Sachen Background-Gesang
und vor reichlich optischem Zierrat, legt der privat als introvertiert
umschriebene Kunststudent seine Rolle als Verkleidungskünstler kaum schüchtern
an. „Standing in line my dear / what you want I got it here“ – dabei hat man es
aber nicht mit der namensgebenden „bitch“, sondern mit einer Diva zu tun, die
stolz durch die Nacht schreitet.
In dunklen Stunden gelten bekanntlich eigene Regeln. Die
Vorgaben des Alltags weichen dem Wunsch nach Zerstreuung und Spaß.
Realitätsflucht hin zu den Verheißungsangeboten, die im Club an oder hinter der
Bar lauern und von Weber musikalisch entsprechend übersetzt werden. Der Musiker
selbst legt sein Tages-Ich ab und mutiert zum queeren Performer, der, nicht
Mann, nicht Frau, auch im Transgender-Tutorium deiner Fakultät als Objekt der
Begierde gilt.
Nachdem man sich von Weber als Gesamtkunstwerk bisher
vornehmlich live überzeugen konnte, liegt mit „Particles“ nun das lang
erwartete Debütalbum von Crazy Bitch In A Cave vor. Veröffentlicht auf dem
Wiener Kleinlabel Comfortzone (Cherry Sunkist u.a.), hat man es dabei mit einem
österreichischen Album des Jahres zu tun. Die zwölf ebenso zuhause wie selbst produzierten
und im Studio von Patrick Pulsinger lediglich abgemischten Songs untermauern
Webers Erfolgsformel – Glamour mal Falsett! –, und gedeihen überwiegend auf
einem Nährboden aus Elektropop und R ’n’ B. Darüber hinaus geht es mit House-Beats
in die Disco und mit Prince in die Federn.
Pop in strahlenden Neonlettern
Die eingangs erwähnten Trash-Sounds finden ihren Höhepunkt
zwar in einem Autotune-Ausflug, den man erst einmal verdauen muss – zwischendurch
geht es dann oft aber auch betont stilsicher zu. Aus dieser Ecke kommt etwa das
Titelstück als klug arrangierte Laptop-Symphonie oder „Far From Sleep“, das an
Philip Glass denken lässt und vergleichsweise klassisch klingt. Klarinetten und
Saxofon arbeiten wohltuend zu, wenn Weber mit „Feel Me Now“ etwa auch in
Richtung Vaudeville und Cabaret aufbricht.
Eines freilich verbindet sämtliche Songs: ihr Bekenntnis zum Pop, der in
Form dreier Neonlettern die Nacht hindurch strahlt. Man höre etwa die Single-Auskopplung
„On Top“ oder mit „I Quit“ einen möglichen
Hit, den Prince in den 80er-Jahren gerade doch nicht geschrieben hat.
Crazy Bitch In A Cave: Particles (Comfortzone / Trost)
(Wiener Zeitung, 14.10.2011)

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