Donnerstag, Oktober 13, 2011

Schlafes Bruder singt ein Lied

“Noel Gallagher’s High Flying Birds“: Der Ex-Mastermind von Oasis ist zurück

Erschwert und letztlich verunmöglicht wurde ein Dauerurlaub des Rock-’n’-Roll-Millionärs Noel Gallagher von zwei Umständen: Zum einen startete sein Bruder und Todfeind Liam mit dem letzten Line-Up der gemeinsamen Ex-Band Oasis, die heute auf den Namen Beady Eye hört, zügig neu durch. Es galt, die Verhältnisse wieder ins Lot zu rücken. Schließlich war Noel Gallagher das Herz und Hirn von Oasis, während sich sein Bruder vornehmlich als Schläger und Mikrofonständer verdingte.

Zum anderen wurde Noel Gallaghers Frau langsam unrund. Welcher im Geld schwimmenden Gattin ist es zu verdenken, ein wenig Zeit für sich selbst haben zu wollen? Dem Mann dabei zuzusehen, wie er mit 44 Jahren nicht mehr arbeiten geht und tagsüber Bier trinkt, während man sich selbst nach dem Gärtner und einem Karton mit Martinis sehnt? Ausgeschlossen! Auf sanften Druck hin, der womöglich mit den Worten „getrennte Schlafzimmer“ in Verbindung stand, begann Gallagher also doch wieder, Songs zu schreiben. Die Frau zwang den Gärtner, sich die Demos anzuhören. Der Gärtner ging zu Noel und lobte ihn als Genie. Noel Gallagher aber antwortete ihm: „Ja. Ich weiß!“ Wenig später liegt nun „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ vor, mit dem der Singer/Songwriter zu sattsam gewohnten Klängen in die zweite Karriere startet.

Dienst nach Vorschrift

Karriere Nummer eins war am 28. August des Jahres 2009 endgültig abgehakt, als Noel auf der Oasis-Homepage bedauerte, keinen Tag länger mit seinem Bruder zusammenarbeiten zu können. Nach einer anfänglich unkaputtbaren Weltkarriere, im Rahmen derer sich Oasis Hit um Hit zu den Aushängeschildern des Britpop der 90er-Jahre krönten, folgte eine Phase aus Exzess und Skandal, an die sich die Beteiligten nur mehr mit Mühe erinnern. Von der Erfüllung des mit plumpesten Klischees aufgeladenen Rock-’n’-Roll-Traums hin zum Absturz zwischen Körperverletzung, Depression und Kreatief war es nur eine schwere Kokainabhängigkeit weit. Das spielte insofern keine Rolle, als den gemeinen Gallagher nur härter macht, was ihn nicht umbringt. Gegen die innerfamiliären Konflikte war dann aber kein Kraut mehr gewachsen.

Ähnlich wie Beady Eye, die dem ersten Gebot von Oasis auf ihrem Debütalbum treu geblieben sind – du sollst Lennon / McCartney ehren! –, genehmigt sich auch Noel Gallagher auf seinem Erstling keinen Modernisierungsschub. Gut abgesteckte Harmonien, geformt zu routiniert Dienst nach Vorschrift schiebenden bis etwas gar langweiligen Midtempo-Songs, die man stets auf Anhieb mitsingen kann; akustische Gitarren, elegische Streicher, Klavier, Chöre, Dixieland-Bläser und nachdenkliche Texte: Das alles ergibt ein durchwegs wertkonservatives Werk, durch das Noel Gallagher als Schlafes Bruder führt.

Und nur eines ist daran erstaunlich: „(Stranded On) The Wrong Beach“ baut auf Akkordfolgen, die jenen von Herbert Grönemeyers Song „Schiffsverkehr“ doch recht ähnlich sind. Rock on!

Noel Gallagher’s High Flying Birds (Sour Mash / Indigo)

(Wiener Zeitung, 14.10.2011)

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