“Noel Gallagher’s High
Flying Birds“: Der Ex-Mastermind von Oasis ist zurück
Erschwert
und letztlich verunmöglicht wurde ein Dauerurlaub des Rock-’n’-Roll-Millionärs
Noel Gallagher von zwei Umständen: Zum einen startete sein Bruder und Todfeind
Liam mit dem letzten Line-Up der gemeinsamen Ex-Band Oasis, die heute auf den
Namen Beady Eye hört, zügig neu durch. Es galt, die Verhältnisse wieder ins Lot
zu rücken. Schließlich war Noel Gallagher das Herz und Hirn von Oasis, während
sich sein Bruder vornehmlich als Schläger und Mikrofonständer verdingte.
Zum anderen wurde Noel Gallaghers Frau langsam unrund. Welcher
im Geld schwimmenden Gattin ist es zu verdenken, ein wenig Zeit für sich selbst
haben zu wollen? Dem Mann dabei zuzusehen, wie er mit 44 Jahren nicht mehr
arbeiten geht und tagsüber Bier trinkt, während man sich selbst nach dem
Gärtner und einem Karton mit Martinis sehnt? Ausgeschlossen! Auf sanften Druck
hin, der womöglich mit den Worten „getrennte Schlafzimmer“ in Verbindung stand,
begann Gallagher also doch wieder, Songs zu schreiben. Die Frau zwang den
Gärtner, sich die Demos anzuhören. Der Gärtner ging zu Noel und lobte ihn als
Genie. Noel Gallagher aber antwortete ihm: „Ja. Ich weiß!“ Wenig später liegt
nun „Noel Gallagher’s High Flying Birds“ vor, mit dem der Singer/Songwriter zu
sattsam gewohnten Klängen in die zweite Karriere startet.
Dienst nach
Vorschrift
Karriere Nummer eins war am 28. August des Jahres 2009 endgültig
abgehakt, als Noel auf der Oasis-Homepage bedauerte, keinen Tag länger mit
seinem Bruder zusammenarbeiten zu können. Nach einer anfänglich unkaputtbaren
Weltkarriere, im Rahmen derer sich Oasis Hit um Hit zu den Aushängeschildern
des Britpop der 90er-Jahre krönten, folgte eine Phase aus Exzess und Skandal,
an die sich die Beteiligten nur mehr mit Mühe erinnern. Von der Erfüllung des
mit plumpesten Klischees aufgeladenen Rock-’n’-Roll-Traums hin zum Absturz
zwischen Körperverletzung, Depression und Kreatief war es nur eine schwere Kokainabhängigkeit
weit. Das spielte insofern keine Rolle, als den gemeinen Gallagher nur härter
macht, was ihn nicht umbringt. Gegen die innerfamiliären Konflikte war dann
aber kein Kraut mehr gewachsen.
Ähnlich wie Beady Eye, die dem ersten Gebot von Oasis auf
ihrem Debütalbum treu geblieben sind – du sollst Lennon / McCartney ehren! –,
genehmigt sich auch Noel Gallagher auf seinem Erstling keinen
Modernisierungsschub. Gut abgesteckte Harmonien, geformt zu routiniert Dienst
nach Vorschrift schiebenden bis etwas gar langweiligen Midtempo-Songs, die man stets
auf Anhieb mitsingen kann; akustische Gitarren, elegische Streicher, Klavier,
Chöre, Dixieland-Bläser und nachdenkliche Texte: Das alles ergibt ein durchwegs
wertkonservatives Werk, durch das Noel Gallagher als Schlafes Bruder führt.
Und nur eines ist daran erstaunlich: „(Stranded On) The Wrong Beach“ baut
auf Akkordfolgen, die jenen von Herbert Grönemeyers Song „Schiffsverkehr“ doch recht
ähnlich sind. Rock on!
Noel Gallagher’s High Flying Birds (Sour Mash / Indigo)
Noel Gallagher’s High Flying Birds (Sour Mash / Indigo)
(Wiener Zeitung, 14.10.2011)

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