Ein Hauchen aus
der Ferne
Zweisamkeit,
Zärtlichkeit und Bunga Bunga: Sades früh zu Hochglanzmusik geformter Kunst zum
Trotz war bereits ihr Debütalbum „Diamond Life“ im Jahr 1984 keine Hollywood-Schmonzette
mit Hang zum Happy End. Zu selten um ein wenig Funk verlegenem, Soft-Jazz-affinem
Großstädter-Pop mit ausschweifenden Saxofon-Soli, kredenzte das Quartett genau
jene Dosis Weltschmerz und Herzeleid, die den Caipi gerade nicht sauer machte.
Zwar
stellten auch Sade im Zeitalter des Yuppie-Pop von Wham! (Man erinnere sich: „You
can have my credit card baby / But keep your red hot fingers off of my heart!“)
ihren „Smooth Operator“ als umtriebigen Geschäftsreisenden mit Visa-Gold-Karte
während einer Stehparty im Innenstadt-Loft auf eine Weise vor, die auch einen
alten Dandy und Frauenversteher wie Bryan Ferry blass aussehen ließ. Anderswo
allerdings verzehrten sich einsame Herzen in kalten Satin-Bettwäschen nach ein wenig
Liebe, die wieder einmal unerreichbar schien. Sade untermalte diesen Umstand
mit ihrer sanft gehauchten, kühlen und ebenso stoischen wie immer ein wenig distanziert
klingenden Singstimme durchaus bestechend. Und sie erweist sich beim
Wiederhören auch deshalb als angenehmer Gegenpol zu späteren Mainstream-Heldinnen
wie Christina Aguilera, die ihre soulbeeinflussten Songs nachdrücklich anlegte
und dabei, von sich selbst angetan, vor allem zu Tode brüllte.
Zeitlose
Rückkehr
Sade
Adu, 1959 in Nigeria geboren, später aufgewachsen in Großbritannien, für die
Popstarkarriere vorgeschult mit einem Modedesign-Studium und Model-Jobs,
inszenierte sich dabei als Frau-Frau, die Sinnlichkeit als Entfesselungskunst
präsentierte. Die Unternehmung lief kommerziell so erfolgreich, dass nach drei
Alben so weit nichts mehr erfunden oder auch nur gemacht werden musste und die
Band sich wahlweise auf Live-Konzerte oder längere Erholungsphasen
konzentrierte. Zwischen 1992 und 2010 sind von Sade nur drei weitere
Langspieler erschienen. Darunter „Lovers Rock“, mit dem die Band pünktlich zum
Millennium dem Jazz-Einschlag Lebewohl sagte, das Saxofon endgültig in die Ecke
stellte und es mit einem Mehr an Dub reduzierter denn je anging. Immerhin
hatten sich zu diesem Zeitpunkt auch die Cocktail-Bars von wohlig-schummrigen
Ledercouch-Höhlen zu kalt-sterilen, sprich hypermodernen Glas-Beton-Kobeln
ernüchtert.
Nach
einer anschließenden zehnjährigen Auszeit als Mutter und Familienmensch kehrte
Sade mit „Soldier Of Love“, das am Freitag in der Wiener Stadthalle mit dem
ersten Österreichkonzert seit 28 Jahren (!) nun auch live vorgestellt werden
will, erst im Vorjahr zurück. Und abgesehen von dem etwas martialisch mit
Kugelhagel imitierenden E-Gitarren ins Haus fallenden Titelsong, der locker
auch als Soundtrack für einen James-Bond-Film durchginge, oder dem ungewohnt countryfizierten
Walzer „Be That Easy“ klang dabei alles wie gehabt.
Wer
bleibt und „sein Ding“ stur durchzieht, gilt im Showgeschäft gemeinhin als besondere
Nummer, die sich längst alles leisten kann. In dieser Liga braucht Sade
niemanden mehr mit großen Innovationen zu beunruhigen. Zudem wird die wahlweise
in High-Heels oder barfuß über die Bühne tänzelnde Sängerin in hautenger
Arbeitsdress oder wallender Abendrobe mit ihren 52 Jahren noch immer mehr als fantastisch
aussehen und den Lauf der Zeit auch somit Lügen strafen: Mit einem Triumph ist
zu rechnen!
Sade
live: Freitag, 25. November, 19.30 Uhr, Wiener Stadthalle.
(Wiener Zeitung, 23.11.2011)

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