Mittwoch, November 16, 2011

Hinter den sieben Bergen

Mit den Fleet Foxes gastierten die Könige des Folk-Revivals im Wiener Museumsquartier: Auch live klotze die US-Formation mit üppigen Chorgesängen

Ihre nicht zwingend über die Texte zu erschließende Welt erklärten die Fleet Foxes zuletzt mit einem kleinen Reim besonders emphatisch: "Green apples hang from my tree / They belong only to me" - Schließlich hieß es bei der Band aus Seattle bezüglich des Lebenseinstellungsmottos "Zurück zum Ursprung" schon immer "Ja, natürlich!"

Mit zwei gefeierten Alben steht die 2006 gegründete Formation an der Speerspitze des Folk-Revivals, das in den letzten zehn Jahren mit Vertretern wie Iron & Wine, Joanna Newsom, Bon Iver und vielen anderen mehr zum Sit-in an den Kamin lud. Zurückgezogenheit und Einkehr im Land der niemals versiegenden Energieströme, der Wälder, Wiesen und Flüsse: Hinter den sieben Bergen finden die Fleet Foxes im Einklang mit Mutter Erde zu sich selbst - die daraus geschöpfte Kraft schlägt sich in einer Kunst nieder, die Songtitel wie "Bitter Dancer" oder "Helplessness Blues" entschieden Lügen straft. Ausgeglichener als bei den Fleet Foxes geht es selten zu, und wenn, dann auch nur beim Fünf-Uhr-Tee mit Cat Stevens.

Musikalisch vertraut das Sextett zu harmonisch-barocken Gruppengesängen auf den Folkrock der späten 60er-Jahre, der zu Quasi-Soundtracks mit tibetischen Klangschalen, 12-saitiger Gitarre, Orgel und Querflöte geformt wird. Damit ist das Œuvre der Füchse im CD-Regal zwischen Neil Young, Simon & Garfunkel und aktuellen Blutsverwandten wie Midlake gut aufgehoben.

Bei ihrem bestens besuchten Wien-Konzert im Museumsquartier eröffnete die Band um den 25-jährigen Sänger und Mastermind Robin Pecknold vor einem Landschaftsgemälde, das die Rocky Mountains porträtierte. Über allen Gipfeln war Ruh, bis die Band auch über zunehmend ins Psychedelische kippende Grafiken vor allem die bewusstseinserweiternde Seite ihres Schaffens live stärker hervorstrich: So geschehen bei "The Shrine / An Argument", bei dem sich Pecknold mit bebender Stimme den einzigen emotionalen Ausbruch leistete, während die Band mit einem Free-Jazz-Intermezzo bald nachzog. Die liturgischen Nebel, die dazu der Bühne entstiegen, ließen vermuten, dass einsame Männer mit spirituellen Neigungen im dunklen Wald auch gerne sektieren.

Atmosphärische Kopfgeburt

Als Hits des Abends wurden mit "White Winter Hymnal" oder "Blue Ridge Mountains" die Hymnen vom selbst betitelten Debütalbum gefeiert. Die konzentrierte Stimmung, die während des Auftritts auf der Bühne (wie auch im Publikum) herrschte, sorgte in den Pausen zwischen den Songs für seltsame Stille. Und während die Band ihr Werk live meist originalgetreu darbot, man also auch der CD hätte lauschen können, durfte gerade auch das gefallen. Immerhin muss man die atmosphärisch dichten Kopfgeburten live erst einmal so präzise über die Bühne bringen.

So streifte man durch das Hinterholz, sacht, ritt durch die Prärie und begrüßte den Grizzylbär freundlich am Wegesrand. Auch wenn man das Gefühl dabei nicht loswurde, dass wegen dieser Musik einst Punk erfunden wurde, endete der Abend letztlich versöhnlich - bei einer gemeinsamen Friedenspfeife.

(Wiener Zeitung, 17.11.2011)

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