Donnerstag, Dezember 08, 2011

Für immer jung

Die Red Hot Chili Peppers begeisterten ihr Publikum in der Wiener Stadthalle: Im Konzert lieferten die Kalifornier eine sportliche Performance

Man mag den Red Hot Chili Peppers vorwerfen können, dass sie für einen mitunter recht bodenständigen Happy-Sound stehen, über dem Anthony Kiedis´ sinnbefreiter Sprechgesang nicht immer glänzte. Eines gilt gemeinhin aber doch als in Stein gemeißelt: Diese Band weiß, wie sie ihr Publikum live bei Laune hält.

Am Mittwoch riss es die Besucher in der restlos ausverkauften Wiener Stadthalle erstmals bei Song Nummer zwei aus den Sesseln: „Dani California“, ein Hit aus „Stadium Arcadium“ von 2006, stand auf dem Programm. Das live um zwei Mitmusiker an Keyboards und Percussions verstärkte Quartett um Sänger Anthony Kiedis und Bassist Michael Balzary alias Flea, zwei bald mit nacktem Oberkörper den Iggy Pop machende End-Vierziger, auf deren Alter nur ihre dann doch vom Leben gezeichneten Gesichter schließen ließen, Chad Smith am Schlagzeug und das neu hinzugestoßene Nesthäkchen Josh Klinghoffer (32!) an der Gitarre, war zu diesem Zeitpunkt schon auf Betriebstemperatur.

Fit mach mit!

Wie Kiedis und vor allem Smith mit seinem burschikos rückwärts getragenen Baseballcap dabei untermauerten, sind die Red Hot Chili Peppers als maskulines Funk-Rock-Adäquat zu Madonna längst im Stadion des Ignorierens angelangt, was den Lauf der Zeit und das Altern betrifft – ihre Konzerte werden nachhaltig davon begünstigt, dass die Band sich selbst bevorzugt als für immer jung und das Leben als ewige College-Party unter der kalifornischen Sonne begreift. Die als mindestens sportlich angelegte Bühnenperformance ließ doch erhebliche Zweifel aufkommen, dass es bei den längst als drogenfrei geltenden Chili Peppers ganz ohne Doping zugeht. Ein diesbezüglicher Höhepunkt war erreicht, als Hochleistungsbassist Flea nach gut einhundert wahlweise sprintend oder springend verbrachten Konzertminuten im Handstand über die Bühne spazierte: „Fit mach mit!“, jetzt auch mit deinen Rock-’n’-Roll-Stars.

Musikalisch wurde eher nebenbei erklärt, dass die 1983 in Los Angeles gegründete Band eigentlich gekommen war, um mit „I’m With You“ ihr neues und insgesamt zehntes Studioalbum live vorzustellen. Dieses war nach dem endgültigen Ausstieg ihres stilprägenden Gitarristen John Frusciante, den Klinghoffer live ersetzte, ohne aber für eigene Akzente zu sorgen, eher kritisch rezipiert worden. Nach dem sanft in Richtung Disco schielenden „Monarchy Of Roses“ zu Beginn sollte „Meet Me At The Corner“ im Konzert ansatzweise beweisen, dass Flea sich zuletzt mit einem Jazz-Studium fortbildete, während das mit The-Cure-Zitaten versehene „Look Around“ von einem schönen Dub-Teil abgebremst und „The Adventures Of Rain Dance Maggie“ als Hitsingle von Ö3 bestens angenommen wurde.

Kritische Randnotiz

Am Tag der Bekanntgabe ihrer Aufnahme in die Rock-’n’-Roll-Hall-of-Fame lag es dennoch an den gut abgehangenen Hits, die Halle zum Beben zu bringen: „Under The Bridge“, die alte Drogengeschichte, die für das denkbar kalifornischste  Drama in der Autobiographie der Band sorgte, die als Funk-Rock-Prototyp gehaltene Befreiungshymne „Give It Away“, das polternde „By The Way“ sowie alle Songs, die aus dem „Californication“-Album (1999) gegeben wurden, ließen im Publikum kaum Wünsche offen. Dazwischen galt es aber auch, eine etwas sehr plumpe Coverversion von Stevie Wonders „Higher Ground“ oder die eine oder andere Jam-Session zu überstehen. Anthony Kiedis, der seinen Schnauzbart vorsichtig in Richtung Walross deutete, las die Songtexte vom Teleprompter ab und erwies sich für eine kleine Einlage als durchaus veritabler Beatboxer.

Zu „Californication“ formierten sich Tabletten und medizinische Kapseln auf der Videowall, die die chemische Vergangenheit der Band zu thematisieren schienen. Die Auflösung folgte später in Gestalt der Medikamentenpackung: „Serenity“, „Beauty“ und „Happiness“ stand darauf geschrieben – eine kritische Randnotiz also, die im juvenilen Schein dieses Abends aber in Schall und Rauch aufging. 

(Wiener Zeitung, 9.12.2011)

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