„Narrow“: Anja
Plaschg alias Soap&Skin liefert mit Spannung erwarteten Nachschub. Das „Mini-Album“
lässt auch mit Trauerarbeit aufhorchen.
Zu den wenigen zeitlosen und dabei recht zweifelhaften „Privilegien“ des Künstlers als ewig Reflektierenden gehört nach wie vor eines: Frei nach dem Blues als mit der Wiederholung für Druckabfall sorgendes Lamento kann, darf und muss es in der Arbeit immer auch darum gehen, sich der eigenen Dämonen gewahr zu werden. Die im besten Falle kathartische Wirkung dieses Konfrontationsprozesses startet allerdings mit einer Bürde. Immerhin muss erst zugelassen und durchstanden werden, was später ausgeschwitzt und abgeschüttelt auf den Markt kommen soll – wo der Konsument über das eine oder andere Rezeptionstränchen nur mehr passiv leiden muss.
Anja
Plaschg ist unter ihrem Alias Soap&Skin meisterhaft darin, es den Hörern
nicht ganz so einfach zu machen. Ihre abgründige Seelenzustände und
Gefühlsregungen auf Mark und Bein durchdringende Weise übersetzenden Lieder nehmen
gefangen, so man sie nicht als pathetisch abkanzelt und sich ihnen grundsätzlich
verschließt. In ihrer Fokussierung auf die Pole Schmerz und Tod als Mischform aus
Klavierballade, Maschinenmusik und Kunstlied zur Zeit wurde man 2009 mit dem Debütalbum
„Lovetune for Vacuum“ und programmatisch betitelten Stücken wie „Thanatos“ und
„Marche Funèbre“ Zeuge, wie sich eine gerade 17-jährige Musikerin hörbar auch
mit den letzten Dingen beschäftigte. Konzerte, bei der die Schulabbrecherin aus
der Steiermark an der ihr entgegenströmenden Aufmerksamkeit wie auch an der
Schwere ihrer Lieder zu zerbrechen drohte, ließen keinen Zweifel daran, dass
ihre Kunst tatsächlich aus dem Innersten kam. Sie ließen aber bald auch erste
Häme aufkommen und die bereits international gefeierte Sängerin Helmut
Qualtinger verstehen lernen: „In Wien musst’ erst sterben, damit sie dich
hochleben lassen.“
Zärtlicher
Abgesang
Dass
kurz nach der Veröffentlichung von „Lovetune For Vacuum“ ihr Vater starb,
stürzte Anja Plaschg zunächst in eine persönliche und anschließend in eine
künstlerische Krise, die mit einem als klassische Trauerarbeit gehaltenen und aktuellen
Interviews zufolge nicht und nicht fertig werden wollenden Song in Verbindung
stand. „Vater“, der das nun vorliegende, dem Titel entsprechend mit acht Liedern
und einer Spielzeit von einer halben Stunde recht knapp gehaltene Mini-Album
„Narrow“ eröffnet, gehört auch für Soap&Skin-Verhältnisse ins schwierige
Fach. Wir hören eine letzte Liebesbekundung als zärtlichen Abgesang, der bis
zum Ausbruch im Laptopgebrutzel – wie so oft auf diesem Album – nur auf Klavier
und Gesang beruht: „Wo immer ich aufschlage, find’ ich dich / Du fällst im
Schatten der Tage als Stille und Stich / Ich wart’ auf dich, wann kommst du
wieder heim?“
Erneut
im Alleingang komponiert, betextet, arrangiert und produziert, stellt „Narrow“
das Introvertierte neben das Aufschreiende und das Fragile neben das
Monumentale. Neben dem „Cradlesong“, einem erst im Text gebrochenen Wiegenlied,
oder Soap&Skins kammermusikalisch umrahmter Coverversion des
melancholischen 80er-Jahre-Hits „Voyage Voyage“ führt das mit „Big Hand Nails
Down“ und „Deathmental“ auch zu zwei drastischen Laptopminiaturen. Vor allem „Deathmental“
– kleiner Buchstabe, großer Unterschied! – legt es zu postindustriellen
Maschinenbeats, metallischen Stampf- und Sägesounds, harten Schnitten und
symphonischen Tupfern emphatisch an. Während das hübsche, auf geloopten Kassengeräuschen
basierende „Boat Turns Toward The Port“ etwas unfertig wirkt, beweist
Soap&Skin mit dem bei Franz Schubert andockenden „Lost“ oder dem zum Heulen
schönen „Wonder“ mit Sir Tralala im Backgroundchor ihre Könnerschaft einmal
mehr.
Man
wird sich dieses in seinen besten Momenten wieder einmal beklemmende Album
nicht jeden Tag anhören können. Das ist gut für seine Haltbarkeit – und für die
Katharsis, die Gewöhnung nicht brauchen kann
Soap&Skin:
Narrow (SOLFO Music / Hoanzl)
(Wiener Zeitung, 4./5.2.2012)

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen