Freitag, Februar 10, 2012

Eigenes Süppchen als hartes Brot

"Wut und Disziplin": Das Trojanische Pferd legt es auch auf seinem demnächst erscheinenden zweiten Album sprachlich und musikalisch höchst abwechslungsreich an.

Ein Titel muss als besonders programmatisch bezeichnet werden: Mit „Mischkulanz“ erklärt Das Trojanische Pferd auf seinem zweiten Album „Wut und Disziplin“, dass es bevorzugt auf mehreren Hochzeiten tanzt. Wir haben es mit einer Band zu tun, die ihren stilistischen Horizont über das Genre „Chanson-Punk“ schon zu Gründerzeiten recht weitläufig definierte.
  
Leiser Lo-Fi-Abschied

Das 2007 formierte und live wie im Studio bald um zahlreiche Mitmusiker erweiterte Duo pendelte auf seinem selbstbetitelten Erstling vor drei Jahren recht ungeniert zwischen einem im Wohnzimmer in bester Do-it-yourself-Manier eingespielten Krawallrock, der ebenso in Richtung Jazz und Chanson schielen konnte, wie er mit Folkbreitseiten auch seinen Singer-Songwriter-Charakter mit Nachdruck betonte. Das Ineinandergreifen der Einflüsse und Hubert Weinheimers zwischen Schabernack und Ernst gehaltene Texte bestachen dabei mit einem Hang zur neuen Selbstständigkeit, sprich einer durchaus spezifischen Formensprache, wobei sich die Band in keinerlei Hinsicht um die Rezeption all dessen zu kümmern schien – mit großem Spaß an der Freud' wurde hier ein ganz eigenes Süppchen gekocht. Schlachtruf: „Aber ich hasse euch – ich singe nicht für jeden. Es geht um Wahrhaftigkeit!“

Folgerichtig hat die Band ihre neue Heimat bei Problembär Records gefunden, jenem Label also, das wie kein zweites in Österreich auf gehobenes Dahinwursteln setzt und vor allem geniale Dilettanten unter Vertrag nimmt – man denke etwa an den Nino aus Wien. Nachdem Das Trojanische Pferd mit „Wien brennt“ das FM4-Publikum für sich gewinnen und mit einem Auftritt im besetzten Audimax der Hauptuni Wien seinen immanenten Protestgestus unter Beweis stellen konnte, folgte mit „Hybrid“ noch eine Remix-EP, ehe es um die Band ruhiger wurde. Persönliche Krisen und interne Spannungen ließen ein zweites Album zwischenzeitlich überhaupt unrealistisch erscheinen. Eine einwöchige Session in der Cselley-Mühle in Oslip, die das Fundament für „Wut und Disziplin“ legte, ließ dann aber doch alles gut werden. Zusätzliche Aufnahmen mit Walther Soyka in dessen Non Food Factory, im Alberner Hafen bei Patrick Sischka oder im Stephansdom  – für die Orgel von „Nicht wichtig“ – erklären zudem bereits, dass die Lo-Fi-Ansätze diesmal einem etwas ambitionierteren Sound weichen mussten.

Die erneute Stilvielfalt sorgt dann aber ebenso wie der eine oder andere Bruch innerhalb eines Liedes dafür, dass die Sache niemals zu rund wird. Während auf Englisch, Französisch, Hochdeutsch und im Dialektgemisch aus Heurigen-Wienerisch und Mostschädlgeraunze gesungen wird, geht es musikalisch von Barhockerjazz („Zwischen Tür und Angel“) über zornige Brett-Gitarren („Taubenschacht“) hin zu den von Hans Wagner gerne auch klassisch gehaltenen Streicherarrangements mit Cembalobegleitung („Nörgler, Krittler, feiger Hund“).

Kirchenorgel und Chorgesänge

Dass Weinheimer am Satzende stimmlich bevorzugt nach oben zieht, verbindet ihn ebenso mit Labelkollegen Nino wie die zahlreichen Zitatangebote seiner Texte, die doch nicht immer konkret werden müssen. Thematisch kann neben dem Krisenkino von „Die ganze Welt“ vor allem Zwischenmenschliches ausgemacht werden, während „Magenbitter“ als Abgesang auf den Austropop gehört werden will.

Drei große Momente aber gibt es tatsächlich: Mit „Hardcore“, das sich nur das Beserlschlagzeug von Pulps ähnlich lautender Hommage an den kleinen Tod beibehielt, beweist die Band jede Menge Songwritingtalent und Stilsicherheit, was die Arrangements betrifft, während „Hartes Brot“ mit aufröhrenden Bottleneck-Blues-Gitarren gleichermaßen innig wie druckvoll ausfällt. 

Sein Meisterstück liefert Das Trojanische Pferd allerdings mit „Nicht wichtig“, einer Hymne, die die erhabene Mischung aus Kirchenorgel und Chorgesängen am Ende mit einem schleppenden Beat untermauert. Hier ist tatsächlich alles perfekt – auch wenn der Text das grundsätzliche Arbeitsmotto der Band etwas anders umschreibt: „Nicht so wichtig, ob es stimmt / So lang es hin und wieder schwingt.“

"Wut und Disziplin" von Das Trojanishce Pferd erscheint am 24. Februar auf Problembär Records.

(Wiener Zeitung, 11./12.2.2012)

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