Donnerstag, Februar 23, 2012

Lonely Drifter Karen: Poles

Das dritte Album von Lonely Drifter Karen erscheint

Mit diesem Album war in der Form eigentlich nicht zu rechnen. Aller Einflussvielfalt und Weiterentwicklung auf den Vorgängerwerken „Grass Is Singing“ und „Fall Of Spring“ zum Trotz, wurden Lonely Drifter Karen bisher doch eher mit leichtfüßigem Folkpop in Verbindung gebracht. Damit war die international besetzte Band um ihre aus Österreich gebürtige Frontfrau Tanja Frinta vor allem im Ausland ein Hit – gerade auch in Frankreich wurden die lichtdurchfluteten  Songs des Trios ins Herz geschlossen.

Diesem Umstand sind vielleicht auch jene frankophilen Chansonelemente geschuldet, die mit „Poles“ (Crammed Discs) nun auch den dritten Streich der heute vor allem in Brüssel residierenden Band durchziehen. Allerdings hat man es hier zuvorderst mit einem Popalbum zu tun, das die großen Gesten hervorstreicht und sich vom Folk beinahe vollkommen verabschiedet hat.

Dabei gelingt der Band eine ästhetisch schwierige Gratwanderung. Schließlich lässt der Sound keine Zweifel daran, dass die ABBA-Phase von Goldfrapp mittels wattebauschiger Bässe aus den Umhängekeyboards von seinerzeit oder ihrer am Konservatorium auch theoretisch geschulten Entsprechung am Fünfsaiter, käsiger Vocodergesänge und fernöstlicher Harmonik  noch stärker als Spacepop gedeutet wird. Harfen taumeln, Pauker pauken – ehe auch Leslie Feist mit zwei, drei Jazzakkorden anklingt und es mit Jean-Benoît Dunckel und Nicolas Godin von Air auf einen Pflaumenschnaps in die Saturnbar geht.

Vom dann allerdings doch recht schwer verdaulichen Progsolo bei „Velvet Rope“ einmal abgesehen: Nicht nur den entspannten Tagträumen von „Dizzy Days“, dem schwebenden Space-Walzer „Appetite“ oder dem dramaturgisch raffinierten „Exactly Light“ ist kein Vorwurf zu machen. Das ist toll – und mindestens ebenso überraschend wie die Entscheidung der Band, das Sonnenlicht von der Blumenwiese am Land gegen das Strahlen des Kosmos zu tauschen. 

(Wiener Zeitung, 24.2.2012)

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