Leslie Feist ist
die Frau mit dem vielen Gefühl. Das hört man ab dem ersten Ton bereits ihrer
Stimme an, die sich mit sanftem Hauchen, vogelgleichem Singsang und sinnlichem Sirenengesäusel
gegen die Kälte der Welt in Stellung bringt, um später auch kräftig gegen sie
anzusingen. Live wird die Kanadierin hinsichtlich der dadurch erhofften
Reinigung – „Let it die!“ – von der US-Folkband Mountain Man unterstützt, einem
Dreimäderlhaus, das den zärtlichen Einschlag ihrer Songs als Backgroundchor auch
in Richtung Ausbruch führt.
Im
ausverkauften Gasometer war dieser Ausbruch auch insofern ein Thema, als Feist
die Bandbreite ihrer sensiblen Kunst live noch stärker hervorstrich. Neben Tränendrückern
wie „So Sorry“, die im US-Serienfernsehen zum Einsatz kommen, wenn ein Patient
zum Cold Case für die Pathologie transformiert, stand das Grobe und Rohe: Vor
allem eine Version des Traditionals „Sea Lion Woman“, das nur mit Schlagzeug
und rauer Bluesgitarre spartanisch instrumentiert, aber wirkungsmächtig durch
die Halle donnerte, spielte diesbezüglich an vorderster Stelle. Aber auch
„Undiscovered First“ sollte nach seinem beiläufigen Beginn später metallisch
stampfen und schnalzen, um damit archaische Westernszenarien vor das geistige
Auge zu zaubern.
Zurück zur Natur
Angereist
war Feist, um mit „Metals“ ihr aktuelles Album zu präsentieren, auf dem sie in
ebenjenem Stampfen zuletzt einen erdigen Ur-Rhythmus entdeckte. Nach dem Erfolg
ihrer Alben „Let It Die“ und „The Reminder“, auf denen Indie-Rock mit Folk und
Jazz sowie Pop mit weltumarmendem Wohlfühlsoul kurzgeschlossen wurde, war
dieses nicht nur ihr Herbst- und Trennungsalbum. Nach einer Auszeit vom
Geschäft und dem Rückzug in die Kliffgegend des kalifornischen Big Sur fand sie
darauf auch künstlerisch zurück zur Natur. Wo das Meer brandet und das Gras
wogt, darf sich die verlorene Seele Antworten erhoffen. Der Mensch mag nervös
sein, die Tiere aber sind ruhig. Wer braucht einen Therapeuten, wenn man sich
auch an die Fauna wenden kann? „Little bird, have you got a key? Unlock the
lock inside of me …“
Im
Konzert brachte das bei lieblichen Stücken wie „Cicadas And Gulls“ oder „Get It
Wrong, Get It Right“ den einen oder anderen gar zu betulichen Moment mit sich –
der skelettierte Walzer „Anti-Pioneer“, das gediegene „The Bad In Each Other“
oder der Barhockersoul von „How Come You Never Go There“ allerdings erklärten
Feists Könnerschaft auch live mit großer Emphase. Für die stimmige Umsetzung
sorgten nur drei Mitmusiker, wobei vor allem Charles Spearin an Gitarre,
Percussions, Trompete, Spieluhr und, und, und reichlich zu tun hatte.
Dass Feist ihre
älteren und entsprechend oft gespielten Hits teils radikal neu arrangierte, war
ihr nicht zu verdenken, die Ergebnisse fielen mit einer grandios trockenen
Version von „The Limit To Your Love“ oder dem nun von perkussiven Arpeggios
getragenen „Mushaboom“ durchaus abwechslungsreich aus. Am Ende erklärte Feist
mit „Intuition“ alleine an der Gitarre, wie man selbst einen kalten Betonbunker
wie die Gasometerhalle mit einem Mehr an Herzenswärme erfüllt – und vor allem, dass
sie zu jener raren Künstlerspezies gehört, auf die sich aktuell alle zu einigen
scheinen.
(Wiener Zeitung)

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