Sonntag, März 11, 2012

Herzenswärme gegen die Betonbunkerkälte

Leslie Feist, Heldin einer sensiblen Songwriting-Kunst, gastierte im ausverkauften Gasometer: Im Konzert bewies die Kanadierin auch Mut zur Veränderung.

Leslie Feist ist die Frau mit dem vielen Gefühl. Das hört man ab dem ersten Ton bereits ihrer Stimme an, die sich mit sanftem Hauchen, vogelgleichem Singsang und sinnlichem Sirenengesäusel gegen die Kälte der Welt in Stellung bringt, um später auch kräftig gegen sie anzusingen. Live wird die Kanadierin hinsichtlich der dadurch erhofften Reinigung – „Let it die!“ – von der US-Folkband Mountain Man unterstützt, einem Dreimäderlhaus, das den zärtlichen Einschlag ihrer Songs als Backgroundchor auch in Richtung Ausbruch führt.

Im ausverkauften Gasometer war dieser Ausbruch auch insofern ein Thema, als Feist die Bandbreite ihrer sensiblen Kunst live noch stärker hervorstrich. Neben Tränendrückern wie „So Sorry“, die im US-Serienfernsehen zum Einsatz kommen, wenn ein Patient zum Cold Case für die Pathologie transformiert, stand das Grobe und Rohe: Vor allem eine Version des Traditionals „Sea Lion Woman“, das nur mit Schlagzeug und rauer Bluesgitarre spartanisch instrumentiert, aber wirkungsmächtig durch die Halle donnerte, spielte diesbezüglich an vorderster Stelle. Aber auch „Undiscovered First“ sollte nach seinem beiläufigen Beginn später metallisch stampfen und schnalzen, um damit archaische Westernszenarien vor das geistige Auge zu zaubern.

Zurück zur Natur

Angereist war Feist, um mit „Metals“ ihr aktuelles Album zu präsentieren, auf dem sie in ebenjenem Stampfen zuletzt einen erdigen Ur-Rhythmus entdeckte. Nach dem Erfolg ihrer Alben „Let It Die“ und „The Reminder“, auf denen Indie-Rock mit Folk und Jazz sowie Pop mit weltumarmendem Wohlfühlsoul kurzgeschlossen wurde, war dieses nicht nur ihr Herbst- und Trennungsalbum. Nach einer Auszeit vom Geschäft und dem Rückzug in die Kliffgegend des kalifornischen Big Sur fand sie darauf auch künstlerisch zurück zur Natur. Wo das Meer brandet und das Gras wogt, darf sich die verlorene Seele Antworten erhoffen. Der Mensch mag nervös sein, die Tiere aber sind ruhig. Wer braucht einen Therapeuten, wenn man sich auch an die Fauna wenden kann? „Little bird, have you got a key? Unlock the lock inside of me …“

Im Konzert brachte das bei lieblichen Stücken wie „Cicadas And Gulls“ oder „Get It Wrong, Get It Right“ den einen oder anderen gar zu betulichen Moment mit sich – der skelettierte Walzer „Anti-Pioneer“, das gediegene „The Bad In Each Other“ oder der Barhockersoul von „How Come You Never Go There“ allerdings erklärten Feists Könnerschaft auch live mit großer Emphase. Für die stimmige Umsetzung sorgten nur drei Mitmusiker, wobei vor allem Charles Spearin an Gitarre, Percussions, Trompete, Spieluhr und, und, und reichlich zu tun hatte.

Dass Feist ihre älteren und entsprechend oft gespielten Hits teils radikal neu arrangierte, war ihr nicht zu verdenken, die Ergebnisse fielen mit einer grandios trockenen Version von „The Limit To Your Love“ oder dem nun von perkussiven Arpeggios getragenen „Mushaboom“ durchaus abwechslungsreich aus. Am Ende erklärte Feist mit „Intuition“ alleine an der Gitarre, wie man selbst einen kalten Betonbunker wie die Gasometerhalle mit einem Mehr an Herzenswärme erfüllt – und vor allem, dass sie zu jener raren Künstlerspezies gehört, auf die sich aktuell alle zu einigen scheinen. 

(Wiener Zeitung)

Keine Kommentare: