Erstmals seit
2007 meldet sich Sinéad O’Connor mit neuem Material zurück: Mit
ihrem neunten Album setzt die Irin auf ihre Kernkompetenzen
Zuletzt musste man sich um Sinéad O’Connor wieder einmal Sorgen machen. Nach öffentlichem Liebeswerben im Internet, einer daraus resultierenden Beziehung, ihrer Blitzhochzeit in Las Vegas, einem Marihuana-Fauxpas in derselben Nacht und dem Beziehungsende nur 16 Tage später schien es um die Irin nicht gut bestellt. Es reichten ein öffentlicher Hilferuf auf Twitter, ein angeblicher Selbstmordversuch und schließlich die Versöhnung mit dem Mann, um die Öffentlichkeit an eines zu erinnern: Noch bevor es um Sinéad O’Connor Mitte der 90er-Jahre ruhiger wurde, galt die Frau als latent durchgeknallt.
Das
verzerrte Bild, das die Irin von sich in den Medien vorzufinden glaubte, führte
im Folgenden zu einer On-and-Off-Beziehung mit dem Geschäft. Sinéad O’Connor, die
mit einer Coverversion des Prince-Songs „Nothing Compares 2 U“ 1990 zum
globalen Popsuperstar mutierte, galt bereits insofern bald als schwierig, als
sie nicht nur gegen die Landsmänner von U2 Gift und Galle spuckte und sich auch
sonst das Wort nicht verbieten ließ – gerade in einem Beruf, in dem sich die
Männer möglichst alles erlauben sollten, während die Frauen den Mund nur zum
Singen weit aufreißen dürfen, sollte es O’Connor der Industrie und folglich vor
allem sich selbst nicht zu einfach machen. Als sie am Gipfel ihres Erfolgs im
US-Fernsehen ein Foto von Papst Johannes Paul II. zerriss, um damit eine
Protestnote gegen den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche zu setzen,
war allerdings klar, dass die Karriere in Übersee fortan vorbei sein würde.
Entsprechend
angefeindet, konnte O’Connor ihre Themenführerschaft in Sachen Kirchenkritik –
bei gleichzeitigem Bekenntnis zu Jesus Christus Superstar –, Spiritualität und
Selbstbestimmung der Frau unbeirrt ausbauen, während sie sich auch musikalisch vom
Massenmarkt löste. Nach ihren Deutungen diverser Jazz-Standards ging es über die
irische Folklore und das gemeinsam mit Sly and Robbie aufgenommene
Roots-Reggae-Album „Throw Down Your Arms“ schließlich hin zur Psalmenvertonung
ihres religiösen Doppelwerks „Theology“, mit dem sich O’Connor als einfache Arbeiterin
im Weinberg des Herrn präsentierte.
Angriff und
Predigt
Ihr
erstes Album seit damals ist nun als Rückkehr zum klassischen Song zu verstehen.
Das führt zu gefälliger Radioware („The Wolf Is Getting Married“), trägen Rockwalzern
(„Very Far From Home“), bluesgrundierten Weltmusik-Anleihen („4th And Vine“)
und klavierbestimmten Dramen („Reason With Me“). In den besten Momenten erklärt
O’Connor, dass sie das Songwriting nicht verlernt hat, vor allem aber die
Produktion ihres ersten Mannes John Reynolds hält sich mit den Ambitionen doch
recht zurück. Zwischen zeitlosem Bandsound und hausbackenen Versuchen am
90er-Jahre-Rock („Old Lady“) wird bald deutlich, wo hier der Sparstift angesetzt
wurde: Nichts an „How About I Be Me (And You Be You)?“ klingt hip oder auch nur
ansatzweise modern.
Inhaltlich
geht O’Connor nach überraschend gewöhnlichen Liebesbekenntnissen, dem
musikalisch unerheblichen Cover von John Grants bitterbösem „Queen Of
Denmark“ oder mit „I Had A Baby“ einem
Song über die Bürden alleinerziehender Mütter bald aber zum Angriff über. Mit „Take
Off Your Shoes“ beschreibt die 45-Jährige ihren mit Abstand besten neuen Song vor
dem Hintergrund der kirchlichen Missbrauchsfälle selbst als Frontalangriff auf
den Vatikan.
Peinlich
wird es mit „V.I.P.“, einer mit erhobenem Zeigefinger vorgetragenen Anklage öffentlichkeitsgeiler
Celebrities, bei der die Irin ernsthaft auch die Verrohung der Jugend durch MTV
beanstandet. Bezüglich der Tatsachen, dass es Sinéad O’Connor ohne
Musikfernsehen nicht geben würde und MTV ohnehin bereits tot ist, herrscht
Schweigen. Wer will sich von Details aufhalten lassen, wenn es sich
moralinsauer doch am selbstgefälligsten predigt?
Sinéad
O’Connor: How About I Be Me (And You Be You)? (One Little Indian Records / Good
To Go)
(Wiener Zeitung, 2.3.2012)

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