Anna Kohlweis, bisher bekannt unter ihrem Alias Paper Bird, hat ihr erstes Album als Squalloscope
vorgelegt: keine radikale Neuerfindung, aber eine dezente Frischzellenkur.
Bekannt
wurde die 1984 in Klagenfurt geborene Wahlwienerin Anna Kohlweis als Paper
Bird: Drei Alben sind zwischen 2006 und 2009 entstanden, mit denen sich die
Musikerin als wichtige Kraft der heimischen Singer/Songwriter-Szene etablierte.
Zentral an ihrer Arbeit war der Do-it-yourself-Charakter. Selbst ist die Frau,
das bedeutete für Kohlweis nicht nur, möglichst alle Instrumente im Alleingang
und im Eigenheim einzuspielen, um einen kantigen Lo-Fi-Sound dem glatten
Studiopendant vorzuziehen.
Wohnzimmer-Folk
Als ehemalige Studentin der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, die schließlich an der Akademie der Bildenden Künste inskribierte, zeichnete sie zudem für ihre Album-Artworks und die bisweilen liebevoll mit Stop-Motion-Technik erstellten Musikvideos verantwortlich. Kurz: Die Job-Description eines Einpersonenunternehmens wurde selten treffsicherer erfüllt.
Musikalisch
zimmerte Kohlweis auf "Peninsula", "Cryptozoology" und
"Thaumatrope" wärmenden Wohnzimmer-Folk, der von akustischen
Gitarren, Handclaps und perkussivem Klopfen getragen sowie von Flöten,
Glockenspiel, Akkordeon und dezenten Keyboardtupfern als akustischem Zierrat
veredelt wurde. Dazu kamen im Zuge von Field Recordings eingefangene
Alltagsgeräusche, mit denen für zusätzliche Akzente gesorgt war.
Das
führte zu beschwingten Folk-Walzern wie "None Of The Above" ebenso
wie zum großartig bei Bonnie "Prince" Billy oder Tom Waits
andockenden, nun ja, Anders-Folk von "Blow" - Musik also, zu der auch
ein älteres männliches Publikum vortrefflich ins Bier weinen konnte.
Auf
dem zuletzt erschienenen "Thaumatrope" wiederum drängte der Popgestus
stärker in den Vordergrund, was etwa mit "Devil" ein Mash-up unter
den düster-romantischen Vorzeichen unterschwelliger Gothic-Harmonien zeitigte.
Die Texte untermauerten, dass es für Kohlweis auch inhaltlich dunkler wurde: "I
perform exorcisms with alcohol and violent kisses / The exchange of dispair, my
fingers tangled up in your hair / won’t keep the devil at bay."
Innere
Zerissenheit
Sollte auf ihrem nun vorliegenden Albumdebüt unter dem Alias Squalloscope, hinter dessen Einführung die Existenz einer amerikanischen Band namens Paper Bird (und die dadurch gegebene Verwechslungsgefahr) zumindest vermutet werden darf, so etwas wie eine Grundverfassung ausgemacht werden können, so handelt es sich um ein Gefühl der inneren Zerrissenheit.
"At
night I can’t let go of those dreams where the what ifs are still strangling
me",
bekennt Kohlweis in "Legends", während die besungenen "what
ifs" immer wieder zu akutem Entscheidungsnotstand führen: "How I
want you to undress for me. And oh, how bored I’d be if you did."
Passend dazu geht es bald auch hinaus auf das Meer, das als Symbol schon immer
herhalten musste, wenn sich der Mensch auf Sinnsuche begab.
Musikalisch
führt nun zwar auch Squalloscope den vertraut organischen und von Streichern
und Chören umgarnten Klang ihrer Paper-Bird-Alben mit Stücken wie "Open
Water, Reckless Fishes" oder "Big Houses" ins Feld, vor allem
aber wird "Soft Invasions" mit einer deutlicheren Fokussierung auf
elektronische Sounds auffällig. Dabei kommt Kohlweis mit bewährten
Lo-Fi-Mitteln näher denn je an Hi-Fi-Resultate heran.
Die
Songs selbst verzichten teils auf herkömmliche Strophe-Bridge-Refrain-Schemata
und schlängeln sich, wie schon das vorab erschienene "Domino", mit
perfekt in Szene gesetzten Vokalschichtungen und rhythmisch wie auf Schiene
gebracht durch die Gegend. Tatsächlich hat Anna Kohlweis dabei auch den Groove
für sich entdeckt, wie etwa das tanzbare "Crying Swimmers" beweist.
Zur
Abrundung des erneut in Eigenregie aufgenommenen Albums wurden handverlesene
Gäste an Bord geholt. Hans Wagner von Das Trojanische Pferd etwa ist am
Cello zu hören, und sein Bandkollege Hubert Weinheimer gibt bei
"Legends" im Hintergrund den Thom Yorke.
Nach
44 Minuten ist man überzeugt: Anna Kohlweis hat sich als Squalloscope nicht
radikal neu erfunden, sondern mit einer dezenten Frischzellenkur für neuen
Schwung gesorgt.
"Soft
Invasions" (Seayou Records) wird am 27. März live im Wiener rhiz
präsentiert.
(Wiener Zeitung, 17./18.3.2012)

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