Freitag, März 16, 2012

Lo-Fi-Mittel, Hi-Fi-Resultate

Anna Kohlweis, bisher bekannt unter ihrem Alias Paper Bird, hat ihr erstes Album als Squalloscope vorgelegt: keine radikale Neuerfindung, aber eine dezente Frischzellenkur.

Bekannt wurde die 1984 in Klagenfurt geborene Wahlwienerin Anna Kohlweis als Paper Bird: Drei Alben sind zwischen 2006 und 2009 entstanden, mit denen sich die Musikerin als wichtige Kraft der heimischen Singer/Songwriter-Szene etablierte. Zentral an ihrer Arbeit war der Do-it-yourself-Charakter. Selbst ist die Frau, das bedeutete für Kohlweis nicht nur, möglichst alle Instrumente im Alleingang und im Eigenheim einzuspielen, um einen kantigen Lo-Fi-Sound dem glatten Studiopendant vorzuziehen.

Wohnzimmer-Folk

Als ehemalige Studentin der Theater-, Film- und Medienwissenschaft, die schließlich an der Akademie der Bildenden Künste inskribierte, zeichnete sie zudem für ihre Album-Artworks und die bisweilen liebevoll mit Stop-Motion-Technik erstellten Musikvideos verantwortlich. Kurz: Die Job-Description eines Einpersonenunternehmens wurde selten treffsicherer erfüllt.

Musikalisch zimmerte Kohlweis auf "Peninsula", "Cryptozoology" und "Thaumatrope" wärmenden Wohnzimmer-Folk, der von akustischen Gitarren, Handclaps und perkussivem Klopfen getragen sowie von Flöten, Glockenspiel, Akkordeon und dezenten Keyboardtupfern als akustischem Zierrat veredelt wurde. Dazu kamen im Zuge von Field Recordings eingefangene Alltagsgeräusche, mit denen für zusätzliche Akzente gesorgt war.
Das führte zu beschwingten Folk-Walzern wie "None Of The Above" ebenso wie zum großartig bei Bonnie "Prince" Billy oder Tom Waits andockenden, nun ja, Anders-Folk von "Blow" - Musik also, zu der auch ein älteres männliches Publikum vortrefflich ins Bier weinen konnte.

Auf dem zuletzt erschienenen "Thaumatrope" wiederum drängte der Popgestus stärker in den Vordergrund, was etwa mit "Devil" ein Mash-up unter den düster-romantischen Vorzeichen unterschwelliger Gothic-Harmonien zeitigte. Die Texte untermauerten, dass es für Kohlweis auch inhaltlich dunkler wurde: "I perform exorcisms with alcohol and violent kisses / The exchange of dispair, my fingers tangled up in your hair / won’t keep the devil at bay."

Innere Zerissenheit

Sollte auf ihrem nun vorliegenden Albumdebüt unter dem Alias Squalloscope, hinter dessen Einführung die Existenz einer amerikanischen Band namens Paper Bird (und die dadurch gegebene Verwechslungsgefahr) zumindest vermutet werden darf, so etwas wie eine Grundverfassung ausgemacht werden können, so handelt es sich um ein Gefühl der inneren Zerrissenheit.

"At night I can’t let go of those dreams where the what ifs are still strangling me", bekennt Kohlweis in "Legends", während die besungenen "what ifs" immer wieder zu akutem Entscheidungsnotstand führen: "How I want you to undress for me. And oh, how bored I’d be if you did." Passend dazu geht es bald auch hinaus auf das Meer, das als Symbol schon immer herhalten musste, wenn sich der Mensch auf Sinnsuche begab.

Musikalisch führt nun zwar auch Squalloscope den vertraut organischen und von Streichern und Chören umgarnten Klang ihrer Paper-Bird-Alben mit Stücken wie "Open Water, Reckless Fishes" oder "Big Houses" ins Feld, vor allem aber wird "Soft Invasions" mit einer deutlicheren Fokussierung auf elektronische Sounds auffällig. Dabei kommt Kohlweis mit bewährten Lo-Fi-Mitteln näher denn je an Hi-Fi-Resultate heran.

Die Songs selbst verzichten teils auf herkömmliche Strophe-Bridge-Refrain-Schemata und schlängeln sich, wie schon das vorab erschienene "Domino", mit perfekt in Szene gesetzten Vokalschichtungen und rhythmisch wie auf Schiene gebracht durch die Gegend. Tatsächlich hat Anna Kohlweis dabei auch den Groove für sich entdeckt, wie etwa das tanzbare "Crying Swimmers" beweist.

Zur Abrundung des erneut in Eigenregie aufgenommenen Albums wurden handverlesene Gäste an Bord geholt. Hans Wagner von Das Trojanische Pferd etwa ist am Cello zu hören, und sein Bandkollege Hubert Weinheimer gibt bei "Legends" im Hintergrund den Thom Yorke.

Nach 44 Minuten ist man überzeugt: Anna Kohlweis hat sich als Squalloscope nicht radikal neu erfunden, sondern mit einer dezenten Frischzellenkur für neuen Schwung gesorgt.

"Soft Invasions" (Seayou Records) wird am 27. März live im Wiener rhiz präsentiert.

(Wiener Zeitung, 17./18.3.2012)

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