Donnerstag, April 12, 2012

Pop aus der Ich-AG

Matthias Peyker und der hochemotionale Heimwerkersound von A Thousand Fuegos

Unter seinem Alias A Thousand Fuegos fabriziert Matthias Peyker aktuell den vermutlich aufregendsten Pop dieses Landes. Wie der Name des Einmannprojekts bereits nahelegt, geht es dabei um die Kultivierung eines ewigen Flächenbrands: Es brennt ein Feuer in mir! Tatsächlich erfüllt der 1982 in Kärnten geborene Wahlwiener mit seinem hochemotionalen Heimwerkerpop auch noch den unterkühltesten Raum mit wohliger Wärme.

Als Transportmittel hat sich Peyker nun die in Indie-Gefilden bevorzugt kritisch beäugte Hymne ausgesucht. Während diese etwa bei U2 in Richtung Stadion schielt, errichtet der Kunststudent seine Songs als Do-it-yourself-Master aber nach wie vor auf tendenziell brüchigen Grundmauern. Dabei fallen erhabene Melodien ab, die allem temporären Nachdruck zum Trotz auch schüchtern im Raum stehen dürfen. Und obwohl hier also nicht zwingend mit der Brechstange gearbeitet wird, ist A Thousand Fuegos nach Anfängen im verhuschten Lo-Fi-Fach mit dem dritten Streich „The Treachery Of Things“ doch ein unbedingtes Popalbum gelungen – die zehn neuen Songs sind somit auch als Hymnen der Selbstermächtigung hörbar.

Als begnadeter Arrangeur und Dramaturg weiß Peyker um die Wirkung von Falsett- und Gruppengesängen bestens Bescheid. Und er sorgt nicht nur mit einem direkten Fade-To-Grey-Zitat für 80er-Jahre-Referenzen, die unter Mithilfe von nachhallendem Folk, Gameboy-Elektronik, Blubberbeats und gesampeltem Bodenknarzen zeitlos klingen. Der urbane Sound wiederum täuscht darüber hinweg, dass Peyker als Inspiration vor allem den Freiraum der Pampa nutzt, wo dieses Album binnen dreier Monate eingespielt wurde.

Trotz der angesprochenen Wärme läuft die Musik niemals Gefahr, der Harmonie alles unterzuordnen. Wenn die Synthesizer auch gleich zu Beginn süßlich zirpen, scheint sich der Text zumindest bis zur Enträtselung seiner Eingangsmetapher eher bei David Lynch am Mulholland Drive zu verorten. „I was speeding fast down the dim lit road / threatening to kill us both.“

Mit „Youth Your Illusion“ liefert A Thousand Fuegos übrigens den Popsong, den Soap&Skin dann doch nicht geschrieben hat, während man bei „I Am Not There“  auch an The XX denken darf und „The Path“ vorsichtig zu den Appalachen führt, wo sich die Fleet Foxes gerade mit Olivia Newton-John an der Friedenspfeife vergnügen. Das ist toll, eines aber nicht auszudenken: Was würden wir alles über A Thousand Fuegos hören, wäre Matthias Peyker nicht in Wien, sondern in Williamsburg, New York, zu Hause?             

A Thousand Fuegos: The Treachery Of Things (Seayou Records)

(Wiener Zeitung, 13.4.2012)

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