Tobias
Pötzelsberger alias The More Or The Less und sein zweites Album
Der Eröffnungssong
seines zweiten Albums unter dem Alias The More Or The Less geht für den
Salzburger Singer/Songwriter Tobias Pötzelsberger auf ein traumatisches
Ereignis zurück. Vor zwei Jahren überstand der heute 28-Jährige das verheerende
Erdbeben in der chilenischen Hauptstadt Santiago zwar unverletzt, aber mit der
prägenden Erkenntnis, dass das Leben sehr schnell vorbei sein kann. Für Pötzelsberger
hingegen endete damit nur der Urlaub: der ORF-Journalist begann, für die „Zeit
im Bild“ vom Geschehen vor Ort zu berichten, während die künstlerische
Aufarbeitung nun mit „Oh, Santiago“ vorliegt – und dabei auch von der Angst
danach zu erzählen weiß: „And I do not believe you / it will not be ok / the
fear of a lifetime / is not just passing by.“
Während
Pötzelsberger seine stets auf den Menschen und dessen Gefühlshaushalt
fokussierten Geschichten 2009 mit dem Erstlingswerk „We, The People“ noch in
überwiegend akustische Folkpop-Songs kleidete, überrascht „Keep Calm“ nun in seinem
Hang zum breiter ausinstrumentierten Bandgefüge. Mit großer Geste und unter Miteinbeziehung
von Klavier, Bläsern, Fender Rhodes und vor allem auch der Stromgitarre wird
dabei im Midtempo- und Balladenfach bodenständig, sanft und überaus glatt im
Klang Zeugnis davon abgelegt, dass aus dem einstigen Soloprojekt eine Gemeinschaftsunternehmung
unter den Vorgaben des Songwriters geworden ist.
Während
Pötzelsberger persönliche Helden wie Elliott Smith, Ron Sexsmith oder Leslie
Feist als Referenzpunkte ins Feld führt, so besteht aber kein Zweifel daran,
dass Feuerzeugsongs wie „I Won’t Let You Down“ oder das Liebesbekenntnis „Seven
Wonders“ auch auf keinem Album von James Blunt unangenehm auffallen würden. Als
Schutzherr des lebensreflektierenden Lagerfeuerliedguts schaut zudem Cat
Stevens für den hübschen Folkpop von „Home“ vorbei.
Das
ist ungewohnt – aber keinesfalls negativ. Für die Texte über das Leben als
solches und die Frage, wie man seinen Platz darin finden soll, über die Suche
nach Glück und einem Zuhause für immer wurde damit nicht nur eine angemessene
Verpackung gefunden. Hinter dieser Fassade erweist sich Pötzelsberger einmal
mehr auch als sehr guter Songwriter. Man höre etwa das von zärtlichem Gruppengesang
umschmeichelte und nach dem Herz auf der Zunge verlangende „Show Me Where Your
Heart Is“, das von hymnischen Bläsern zum Finale gebrachte „Mr. Undertaker“
oder „Poetry And Farmer Chords“ als Selbstbildnis eines auch mit sich selbst
hadernden Liedermachers.
Inhaltlich
sind zwar auch The More Or The Less die grauen Wolken nicht fremd, wie etwa der
Entfremdungsblues von „Odyssee“ unter Beweis stellt. Am Ende des Tages ringt
Pötzelsberger – stets dem Leben zu! – beim Zwiegespräch aber selbst dem
Totengräber ein Lächeln ab („Mr. Undertaker“), um zufrieden heimwärts zu
schreiten. Es geht um Sehnsucht, Liebe, Harmonie – es geht um Zusammenhalt und darum,
die kalte Welt mit einem Brennstoff namens Herzenswärme wieder zum Glühen zu
bringen.
The More Or The
Less: Keep Calm (Lindo / Hoanzl)
(Wiener Zeitung, 6.4.2012)

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