Mittwoch, Mai 30, 2012

Altes Herz klingt wieder jung

Erstes Originalalbum seit 1994: US-Soulsänger Bobby Womack feiert das Comeback des Jahres.

- Unterstützt etwa von Damon Albarn, legt es der 68-Jährige betont heutig an

Die private Vita dieses Mannes und seine künstlerische Karriere sind mindestens so spektakulär, wie sein Comeback aktuell als überraschend zu bezeichnen ist: Mit Bobby Womack kehrt eine der größten Soulstimmen aller Zeiten zurück – nach langer Absenz und schwerer Suchtkrankheit. Wie das nächste Woche erscheinende Album „The Bravest Man In The Universe“ als erste Veröffentlichung mit Originalmaterial seit 1994 belegt, will es der US-Amerikaner noch einmal wissen.

Geboren 1944 in Cleveland, Ohio, begann die Laufbahn Womacks noch als Kind in der Kirche. Als Sohn eines Pastors mit seinen Brüdern als The Womack Brothers im Auftrag des Herren aktiv, sicherte mit Sam Cooke bald eine der prägendsten schwarzen Stimmen nicht nur ihrer Zeit Unterstützung zu. Cooke nahm die Brüder für sein Label unter Vertrag, wo er sie nach anfänglich ausbleibendem Erfolg als The Valentinos in Richtung R&B und Soul weltlich produzierte. Eine Anfrage der Rolling Stones, das gerade ausgekoppelte „It’s All Over Now“ zu interpretieren, stieß bei Co-Autor Bobby Womack 1964 auf wenig Gegenliebe, bis genau dieser Song für den Durchbruch der Stones sorgen sollte und die Tantiemen, satt, auf sein Konto strömten. The Valentinos tourten nun mit James Brown durch die Lande, während sich Womack zusätzlich als Gitarrist seines Mentors Sam Cooke verdingte. Als dieser erschossen wurde, brach für Womack erstmals die Welt zusammen. Seine baldige Hochzeit mit Cookes Witwe hingegen sorgte für Empörung in der Community. Trotz qualitativ überzeugender Alben wie „Fly Me To The Moon“ (1968) blieben ihm Soloerfolge vorerst verwehrt, weil ihn zahlreiche Radiostationen schlicht boykottierten.

Als Sessionmusiker spielte Womack wiederum höchst erfolgreich auf zentralen Alben von Aretha Franklin, Sly and the Family Stone oder Janis Joplin, ehe sein gerne um Funk erweitertes und von Streichern getragenes Œuvre aus Soul und R&B ab 1971 endlich die wohlverdiente Achtung erfuhr: Spätestens mit dem Soundtrack zu Barry Shears Blaxploitation-Film „Across 110th Street“, dessen Titelsong später auch Quentin Tarantino für seine Genre-Hommage „Jackie Brown“ verwendete, war eine gut zehnjährige Erfolgsstrecke begonnen. Privat verlor der Sänger in dieser Zeit allerdings seinen Bruder Harry, der im Streit von seiner Freundin erstochen wurde, und seinen Sohn Truth, der dem plötzlichen Kindstod erlag. Als 1986 sein Sohn Vincent den Freitod wählte, verabschiedete sich Womack endgültig in eine Wolke aus Alkohol, Kokain und Paranoia – und verfiel somit jenem Leid, das dem Soul-Genre als „authentischer“  Erlösungsmusik zu oft als zweifelhafter Nährboden diente. Seine letzte Arbeit mit neuen Songs erschien 1994, ehe er, nach je einem Weihnachts- und Gospelalbum, als Gastsänger von Damon Albarns Gorillaz 2010 wieder auftauchte.


Auf Anraten Albarns, doch wieder ins Studio zu gehen, und mit seinem Angebot, die Produktion gemeinsam mit XL-Labelchef Richard Russell selbst zu verantworten, nahm Womack die Arbeit wieder auf. Und er willigte ein, ein betont heutiges Werk einzuspielen, das den Soul des alten Mannes nun auch einer neuen Generation schmackhaft machen soll. Tatsächlich muss man dabei an Gil Scott-Heron denken, der 2010 auch unter Mithilfe Russells und Albarns und gleichsam nach einer Phase am Abstellgleis aufgefrischt wiederkehrte. Mit einem Cameo wird der vor einem Jahr Verstorbene ebenso auf „The Bravest Man In The Universe“ verewigt wie auch Sam Cooke, dessen Stimme als Nachhall auftaucht, um den reflektierten Grundton des Albums zu untermauern: „As a singer grows older, his conception goes a little deeper, because he lives life and he understands what he’s trying to say a little more.“

Weitgehend nachdenklich und über die Jahre im Dunkeln sinnierend, lässt sich der zuletzt gesundheitlich angeschlagene Sänger dennoch nicht unterkriegen. Am Ende der für ihn mit großer Verunsicherung einhergehenden Rückkehr ins Geschäft bleibt die Hoffnung auf ein Happy End zumindest bestehen: „The dawn will come / The sun will rise / Hope returns as fear’s upside / Love is gonna lift you up!“

Zu modernistischen Beats und Synthiespuren, Barhockerklavier sowie dezent zuarbeitenden Streichern und Gitarren kreischt, croont und fleht Womack dabei ausdrucksstärker denn je. Dank des mit verfremdeten Orgelsounds in Richtung Hymne schielenden „Sweet Baby Mine“, des beseelten R&Bs von „Stupid“, der Gospelchöre von „If There Wasn’t Something There“ oder des gemeinsam mit Lana Del Rey gegebenen „Dayglo Reflection“ funktioniert die Mischung aus konzisem Songwriting und stimmigem Sounddesign in acht von zehn Fällen bestens.

Dass Russell und Albarn es bei „Love Is Gonna Lift You Up“ und „Jubilee“ mit den Seitensprüngen in Richtung Club dann doch übertreiben, täuscht über eines aber auch nicht mehr hinweg: Bobby Womack ist mit diesem Album das Comeback des Jahres gelungen.

Bobby Womack: The Bravest Man In The Universe (XL Recordings / Beggars Group)



(Wiener Zeitung,  31.5.2012)

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