Vorstellig und
gleich auch einem größeren internationalen Publikum bekannt wurde die aus
Philadelphia gebürtige Sängerin, Rapperin und Songschreiberin Santi White vor
vier Jahren mit ihrem Debütalbum „Santogold“ im Zeichen jener Musik, mit der
die britisch-tamilische Kampfrapperin M.I.A. ihren Siegeszug durch den globalen
Krisenherd Disco kurz zuvor eingeläutet hatte: Störgeräusche und Clubsounds zur
Zeit, tribalistisches Gepolter und elektronische Beats, festgemacht an
zappeligen und zornigen „Schmelztiegel“-Tracks, standen zwar auch hier auf der
Agenda. Ohne den Radical Chic von M.I.A., dafür mit einem Hang zum Überwältigungsmoment
des Popsongs, ging es mit Einflüssen aus Dub, Reggae und New Wave vor allem
aber hin zu jener allgemeinen Verträglichkeit, die eine Weltkarriere am Ende
ermöglicht. Aus Gründen der Ehrenrettung kann man sich später noch immer
erleichtert darüber zeigen, seine Botschaft nun endlich auch der breiten Masse
näherbringen zu dürfen.
Das große Miteinander
Dabei
scheint es sich bei der nach einem Copyright-Streit heute als Santigold aktiven
Musikerin um jene starke, maximale Selbstbestimmung einfordernde Frau in einem
männerdominierten Gewerbe zu handeln, als die die Industrie aus Imagegründen
jeden Klangkörper bezeichnet, der nicht eindeutig auf je ein X- und ein
Y-Chromosom verweisen kann. Bereits früh organisatorisch im Musikgeschäft
tätig, erwarb sich White rasch jenes Know-how, das ihr als selbstdeklarierter
Geschäftsfrau heute zugutekommt. Als Widerspruch unaufgelöst bleibt allerdings,
warum sich die bisweilen Gift und Galle gegen den Mainstream spuckende
Musikerin mit Songbeigaben auch in den Dienst von Christina Aguilera oder
Ashlee Simpson stellen musste.
Ihr
nun erscheinendes zweites Album „Master Of My Make-Believe“ jedenfalls bringt
die alte Erfolgsformel aufgefrischt in beste Erinnerung: Unter Produktion großer
Namen wie Q-Tip, Switch, Diplo und unter Beteiligung von Karen O und Nick
Zinner (Yeah Yeah Yeahs) hören wir globalen Hypridpop mit Vorliebe für kämpferisch
geschlagene Marschtrommeln. Dass die Texte kaum je zur Kriegserklärung geraten
und Santigold zu den zahmen Klängen von „The Riot’s Gone“ gar zu kapitulieren
scheint, verwundert angesichts aktueller Problemfelder dann aber doch ein
wenig.
Musikalisch
stehen die mannigfaltigen Einflüsse nicht länger getrennt nebeneinander –
„Fame“ etwa lässt mit seinem zornigen Intro vermuten, dass in bester M.I.A.-Manier
gleich die Kampfhubschrauber um die Ecke biegen und mächtiger Kugelhagel durch
das Wohnzimmer schallt, ehe sich der Song mit Analog-Synthesizern aus den
guten, alten 80er-Jahren für die Melodie aufmacht. Wir hören ein Popalbum mit „modernistischem“
Zierrat und sanften Rückschauen, das
Gothic-Harmonien („God From The Machine“) mit afrikanischen Gesängen ebenso
kurzschließt wie Hip-Hop mit den Karnevalstrommeln aus Rio („Big Mouth“).
„Freak Like Me“ bittet zum Tanz durch die Dancehall, während „Pirate In The
Water“ eingeraucht zum gut abgefederten Synthiebass groovt und „Disparate
Youth“ auf keinem Radiokanal unangenehm auffallen sollte.
Sagen
wir es so: Unwiderstehlicher hat das Ausbleiben der Revolution noch selten
geklungen.
Santigold:
Master Of My Make-Believe (Warner)
(Wiener Zeitung, 5.5.2012)

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