Montag, Januar 28, 2008

Ein Phönix ohne Haschisch

Pete Doherty überraschte in guter Form und mit einem Babyshambles-Konzert, das tatsächlich stattfand.

Fans des britischen Quartetts Babyshambles hatten bislang ein Problem: Sie konnten "ihre" Band nur in Ausnahmefällen auch live betrachten, weil Pete Doherty, deren Vorstand, in seiner Freizeit nur zu oft Unfug mit Drogen getrieben hatte, sich dabei erwischen ließ, auf die Polizeistube gebeten wurde und – nun ja, Sie wissen schon.

Im besten Fall wurde man von einer Konzertabsage schon im Vorfeld informiert; im schlechtesten Fall musste man seine Abende in Konzerthallen zubringen, um erst dort von Petes neuesten Troubles und seiner daraus resultierenden Unabkömmlichkeit zu erfahren: Leider, aber was soll man machen? Die Droge – ein Hund!

Oder aber unser Held stellte sich im Zustand geistiger Umnachtung allein auf die Bühne, um sich an Songs zu versuchen, die er einst geschrieben hatte. Allerdings: Wie war das noch mal? Ist das eine Gitarre? Und warum, verdammt, zerfließt sie unter meinen Händen und sagt, sie wäre Jesus? Sakra!

Das alles ist vorerst Geschichte. Immerhin gab die Band um den heute 28-jährigen, einer breiten Masse eher aufgrund seiner Skandale als seiner Musik wegen bekannten Doherty vergangene Woche nicht nur in Deutschland drei umjubelte Konzerte. Sie wurde am Samstag auch in Graz vorstellig, Doherty soll dabei clean gewesen sein, für Trinker: nüchtern. Apfelsaft statt Drogencocktail, Obi g’spritzt statt Heroin.

Als die Babyshambles nach Wagners "Walkürenritt" zur Eröffnung am Sonntag schließlich die Bühne der Wiener Arena stürmen, um mit "Carry On Up The Morning" und "Delivery" aus dem aktuellen, im September des Vorjahres veröffentlichten Album "Shotter’s Nation" mit viel Druck in die Vollen zu gehen, darf man sich auch selbst überzeugen: Doherty ist heute nicht nur ein Phönix ohne Haschisch, Heroin und Marschierpulver, also durchwegs auf dem Weg der Genesung.

Er ist – wenn er sich bloß ein wenig am Riemen reißt – vor allem auch jene könnerische Ausnahmeerscheinung im stumpfsinnigen Sumpf des (britischen) Indie-Rock, die man bislang auf Platte zwar erahnen konnte, ohne aber live je Bestätigung zu erlangen.

Dafür sprechen die konzentrierten Versionen von "Unbilo Titled" oder "Unstookie Titled", mit denen Doherty seinem Œuvre zuletzt ein Mehr an lyrischen Momenten abgewinnen konnte, sowie mit "Killamangiro" und "Pipedown" vor allem die Klassiker, die aus zackigen Riffs und mitreißenden Melodiebögen euphorische Zustände generieren. Diesen fällt das Publikum anfangs noch nicht anheim. So viel Musik, so wenig Skandal. Sind das die Babyshambles? Da bin ja ich fetter!

Spätestens bei "Fuck Forever" sind am Ende eines 70-minütigen Konzerts dann aber alle aus dem Häuschen. Wie es hier so schön heißt: "Happy endings, no, they never bored me. Happy endings, they still don’t bore me." Ein würdiger Abschluss, und ja: Alles wird gut. Die Hoffnung, sie stirbt zuletzt.

(Wiener Zeitung, 29.1.2008)

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