Freitag, Februar 29, 2008

Alterswild statt altersmild

Neil Youngs Durchhaltevermögen ist bekannt. Immerhin hat der Mann bereits vier Jahrzehnte Rock ’n’ Roll überstanden – was eingedenk des damit oft einhergehenden, von Drogen, Alkohol und ähnlichen Vergnügungspotenzialen geprägten Lifestyles schon eine Leistung darstellt. Dazu kamen künstlerische Ausrutscher, die vor allem über den unbändigen Schaffensdrang des Kanadiers verstanden werden müssen, ebenso wie gesundheitliche Probleme zwischen epileptischen Anfällen und Bandscheibenvorfällen.

Bei seinem ersten Österreich-Konzert nach der Operation an einem lebensbedrohlichen Hirnaneurysma vor drei Jahren präsentierte sich der heute 62-Jährige am Freitag im Austria Center Vienna nun aber musikalisch wie auch körperlich in bester Form – und er verlangt sich während des dreistündigen Konzerts noch einmal alles ab.

Im anfänglichen Soloteil bietet Young – abwechselnd mit akustischer Gitarre, Banjo, Klavier, Keyboard und Mundharmonika – Streifzüge durch sein breites Œuvre aus Folk, Country und Rock nicht nur anhand von strikt auf die Tränendrüse drückenden Klassikern wie "Harvest", "Heart Of Gold", "Don’t Let It Bring You Down" oder der Musik gewordenen Weisheit "A Man Needs A Maid". Mit dem nie auf einem Album erschienenen "Love Art Blues" aus seiner depressivsten Phase um "On The Beach" aus 1974 sowie "Try" oder "Sad Movies" wird auch tief in der Raritätenkiste gegraben.

Im zweiten Konzertteil darf sich der Meister, jetzt auch von langgedienten Weggefährten unterstützt, unter Rückgriff auf forsche Hadern von "Mr. Soul" aus seiner Zeit mit Buffalo Springfield über "Hey Hey, My, My" bis hin zu "Rockin’ In The Free World" als alterswilder Saitengott aufspielen. Das mit übereifrigen Gitarrensoli weit ausufernde "No Hidden Path" wird nach gut zwanzig Minuten widerwillig doch noch beendet.

Nach Konzertschluss haben die Wiener Linien dann aber leider schon den Betrieb eingestellt: Long may you run!

(Wiener Zeitung, 26.2.2008)

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