Wien. Man mag es dem Mann mit dem blonden Wildwuchs im Gesicht nicht sofort ansehen. Und doch gehört Samuel Beam zu den sensibelsten Songwritern der Gegenwart. Das weiß man spätestens seit seinem Debütalbum aus 2002.
Auf "The Creek Drank The Cradle" erarbeitete der aus South Carolina gebürtige Musiker unter seinem Künstlernamen Iron & Wine hochgradig introspektive Lieder von zerbrechlicher Anmut. Zerbrechlich deshalb, weil er ein Konzept ästhetischer Entschlankung verfolgte, das außer behutsam gezupften Wanderklampfen, Banjo und Slide-Gitarren kaum etwas zuließ. Außer freilich der sanften Götterstimme des heute 33-Jährigen, die den Streifzügen durch klassische Singer/Songwriter-Gefilde mit Ausflügen in Richtung Country und Blues die nötige Wärme einhauchte.
Entdeckt wurde Beam, der vor seiner musikalischen Karriere an der Miami International University of Art & Design unterrichtete, eher zufällig vom Gründer des renommierten Labels Sub Pop, Jonathan Poneman. Wir erinnern uns: Das in Seattle ansässige Unternehmen hatte seinerzeit die jungen Nirvana unter Vertrag genommen. Ein gutes Omen also.
Fleißiger Arbeiter
Seither erwies sich der heute mit seiner Frau und vier Töchtern zurückgezogen etwas außerhalb von Austin, Texas lebende Musiker als ein auf konstant hohem Niveau schaffendes Arbeitstier. Drei Alben und vier Eps innerhalb von fünf Jahren ist nicht gerade wenig, zumal die Aufnahmen von einer konsequenten Weiterentwicklung zeugen. Während "Our Endless Numbered Days" (2004) Beams Entschluss markiert, saubere Studioarbeit dem Do-It-Yourself-Gedanken zu bevorzugen, sorgte seine Kollaboration mit den Landsleuten von Calexico für breiter instrumentierten und weniger zurückhaltenden Countryrock, inklusive richtigem Schlagzeug.
Sein im vergangenen September erschienenes, drittes Album "The Shepherd's Dog" – eine der zentralen Arbeiten des Vorjahres –, das am Mittwoch nun auch live in Wien vorgestellt wird, darf in diesem Prozess der künstlerischen Ich-Werdung getrost als größte Zäsur bezeichnet werden. Ungewohnt rhythmuszentriert und mit Sitar-Klängen, Streichern und Klavier unüblich opulent arrangiert, sorgte Beam darauf für neue Töne, die neben afrikanisch eingefärbtem Funk erstmals auch heiter-beschwingtes Material mit sich brachten. Das sollte sich live ebenso gut anlassen wie der vertraut zum Ins-Bier-Weinen ladende, im Dreivierteltakt gereichte Folkwalzer "Flightless Bird, American Mouth". Der erste Pflichttermin des Jahres!
(Wiener Zeitung, 12./13./14.1.2008)
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