Dienstag, April 22, 2008

Akustik im Knödelregen

Mehr als 700.000 Einheiten – so viel hat José González von seinem 2003 veröffentlichten Debütalbum "Veneer" bis heute verkauft. Man muss sich das nicht nur vor dem Hintergrund gegenwärtiger Diskussionen um die Krise der Musikindustrie – Stichwort: permanent rückläufige Absatzzahlen – erst einmal vorstellen!

Auch angesichts der wenig marktschreierischen Musik des 29-Jährigen, die sich in doch recht introspektiven Liedern veräußerlicht und zumeist bloß auf akustische Gitarre und die sanft gehauchte Stimme unseres Helden beschränkt, muss man hier von einer tatsächlichen Ausnahme sprechen. Dafür wurde der aus Göteborg stammende Sohn argentinischer Einwanderer in seiner Heimat bereits mit Preisen überschüttet, ein Konzern für Unterhaltungselektronik verwendete seine Musik in einem Werbespot. Darin hagelte es bunte Gummibälle auf die Straßen von San Francisco! Und anschließend Knödel auf das Konto des Jungspunds. Man muss ja auch an die Altersvorsorge . . . nicht wahr?

Im ausverkauften Wiener Flex will die mit sanfter Klinge vorgetragene Zupfgitarrenkunst des Schweden am Montag dann aber leider nicht recht aufgehen. Das liegt zum einen daran, dass sich der Songwriter erst einmal gegen den ihm aus dem Publikum entgegenschlagenden Lärmpegel durchsetzen muss. Zum anderen verhindert die sonst eher auf saubartelnden Rock’n’Roll oder im Stroboskopgewitter abgefeuerte Unz-Unz-Beats der elektronischen Tanzmusik spezialisierte Location tatsächlich eine der Musik entsprechende Atmosphäre.

Sympathisch und nett

González selbst liefert während gut achtzig Minuten – alleine oder von einer zweiköpfigen Begleitband, die für Percussions sorgt, Backing-Vocals beisteuert und ab und an Keyboardsounds auftupft – zwar ein konzentriertes, sprich braves Konzert. Aber was auf Platte auch in den allerstillsten Momenten dringlich klingt, erscheint live eine Spur zu selbstverliebt und betulich.

So schön die Lieder auch sein mögen: Zwischen fortschreitender Konzertdauer und dem steigenden Wunsch nach einer Sitzgelegenheit besteht ein direkter Zusammenhang.
Erst gegen Ende sorgt "Down The Line" für etwas Bewegung, "Cycling Trivialities" für ein Mehr an – jetzt auch gefühlter – Gefühligkeit. Der Rest ist heute sympathisch und nett. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

(Wiener Zeitung, 23.4.2008)

Keine Kommentare: