Montag, Mai 26, 2008

Kalte, alte Zeiten

Es überrascht, dass Bill Callahan mit "Sycamore" oder dem ungewohnt positiven "Diamond Dancer" heute nur zwei Lieder aus seinem aktuellen Album "Woke On A Whaleheart" gibt. Immerhin verabschiedete der 41-jährige US-Amerikaner mit diesem nach 20 Jahren im Geschäft sein Alter Ego Smog, was auf eine Zäsur schließen ließe: Au contraire!

Der Mann mit dem grummelnden Bariton greift heute nämlich auf Werke wie "Knock Knock" oder "A River Ain’t Too Much To Love" zurück, mit denen er sich in klassischen Gefilden zwischen Rock, Country und Folk einnistete, um das intelligente Songwriting von Lambchop und die Gefühligkeit eines Bonnie Prince Billy zu vereinen.

Wir hören mit dem auf einen schleppenden Beat gebauten "River Guard" strikt auf die Tränendrüse Drückendes, im Zuge dessen Callahan wie ein Nick Cave oder David Eugene Edwards den Abtrünnigen der Gesellschaft huldigt: "We are constantly on trial. It’s a way to be free!"

Unterstützt von einer dreiköpfigen Band wechseln schaurig-schöne Balladen und zorniger Rock’n’Roll einander ab, vor allem Letzterer erfährt live ein Mehr an Druck. "Bloodflow" gebärdet sich störrisch, über dem repetitiv-treibenden Rhythmus von "Natural Decline" schweben hallverhangene Gitarrenakkorde. Eine wütende Version von "Cold Blooded Old Times" gibt schließlich den Rest: Ein Konzert des Jahres!

(Wiener Zeitung, 24./25./26.5.2008)

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