Donnerstag, Mai 29, 2008

Saul Williams: Der Beat ist (wieder) politisch

Wien. Dass HipHop einmal mehr war als die vornehmlich auf MTV von goscherten Gangsta-Rappern ausgeübte Zurschaustellung vermeintlicher Privilegien wie aufgepimpter Luxusvillen, überdimensionierter Fuhrparks und leichtbekleideter "bitches" im hauseigenen Schlossgärtchen, ist der Jugend von heute kaum mehr bekannt.

Tatsächlich hatten Genrevertreter wie Public Enemy oder KRS-One seinerzeit noch die redliche Absicht, die beatgestützte Kunst des gesprochenen Wortes auch mit (gesellschafts)politischen Aussagen zu befeuern. Was diesem Fach – zumindest im Mainstream – längst abhanden gekommen ist, lässt der aus Newburgh, New York stammende Poetry-Slammer, Rapper, Autor und Schauspieler Saul Williams seit seinem von US-Starproduzent Rick Rubin (Slayer, Beastie Boys, Johnny Cash, Shakira!) geschmiedeten Debüt "Amethyst Rock Star" nun wieder zu alter, also neuer Stärke auflaufen.

Soulige Singstimme

In Anbetracht der drei bisher vorliegenden Arbeiten des heute 31-Jährigen kann man zwar nicht von klassischem HipHop sprechen, schließlich verfolgt der Autor bereits vierer Lyrik-Bände mit eher als wortgewaltigen Gedichten denn als Raps zu verstehenden Songtexten auch musikalisch einen eklektizistischeren Ansatz: Neben übersteuerten Downtempo-Beats und gesampelten Gitarrenakkorden aus der Schule des Punk, auch vernommener Klavieruntermalung und Einflüssen aus dem Programm der Unterhaltungselektronik wird dabei ab und an auch dem Pop nachgegeben: Wie etwa in "Banged And Blown Through", bei dem Williams auch mit wunderbar souliger Singstimme beglückt.

Inhaltlich geht der Sohn eines Priesters nicht nur mit seiner dem Turbokapitalismus frönenden Kollegenschaft ins Gericht. Er übt sich in Religionskritik, zeigt sich über die USA der Bush-Administration wenig begeistert und stellt zwischen Wut auf und Trauer über die Verhältnisse nicht zuletzt die Diskriminierung der Black Community an den Pranger.

Auch musikalisch funktionierte das auf dem aktuellen, nach dem Prinzip von Radiohead wahlweise kostenlos oder gegen Bezahlung von 5 US-Dollar im Internet zum Download bereitgestellten und von Trent Reznor produzierten Album "The Inevitable Rise And Liberation Of Niggy Tardust" bisher am besten. Guter Mann!

(Wiener Zeitung, 30.5.2008)

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