Montag, Mai 25, 2009

AC/DC: Vati rockt ab

Sonntag, 24. Mai, 16 Uhr: Vati macht sich schick. Nach einer anstrengenden Woche im Büro und einem noch viel anstrengenderen Wochenende draußen im Guntramsdorfer Schrebergarten – die Wühlmäus’, das Unkraut, die Schwiegermutter… – legt er die alte Jeanstracht an und kampelt sich den Schnauzbart. Jetzt ist es endlich soweit! Er verabschiedet sich von Weib und Kind mit einem innigen „Seas“ und wird alsbald von seinen Strizzis in Empfang genommen. Vati öffnet das erste Dosenbier und rülpst zum Gaudium der geselligen Herrenrunde lautstark durch die Hofanlage. Die Hausbesorgerin keppelt, die Gruppe lacht. Dirty deeds done dirt cheap!

Mit der U2 geht es weiter in den Prater. Es werden schmutzige Männerwitze erzählt, während die Freunde aus alten Tagen die hiesige Hauptallee entlang flanieren. Vati öffnet sein drittes Bier und trinkt es hastig, denn gleich ist das Schweizerhaus erreicht! Dort steigt er auf Budweiser um, verleibt sich eine Stelze ein und bestellt sich dann ein Schnapserl zum Verdauen. Das ist gesund, das sagt auch der Hausarzt.

Um 20 Uhr trifft man im Happel ein. Nach einer lästigen längeren Weile in der Warteschlange ersteht Vati für zehn Eier blinkende Teufelshörner, die fortan sein Haupt verzieren, und am Merchandising-Stand ein Tour-T-Shirt für nochmals 35 Mäuse. Vati beschließt flott, seinem Zögling das Taschengeld zu streichen und schreitet solchermaßen erleichtert an die Bar. Das Bier wird dort in praktischen Ein-Liter-Bechern feilgeboten und ist besser eingeschenkt als in der Wirtschaft von vorhin. Vati ist glücklich und hüpft in freudiger Erwartung von Bein zu Bein, ehe es um Punkt neun losgeht. Und, sapperlot, wie!

Auf der Videowall im Hintergrund beobachten mehr als 50.000 Vatis und solche, die es noch werden wollen, ein charmant dämliches Animationsvideo, in dem der Beelzebub als sündiger Verführer nach drunten in die Hölle lädt. Feuer schnellt hoch, es sprühen die Funken. AC/DC beginnen mit einem neuen Lied, aber das ist egal, denn „Rock 'n' Roll Train“ klingt wie jedes Lied von AC/DC. Vati wird dasselbe Lied, leicht adaptiert und von wechselnden Soli umrahmt, heute noch etwa 20 weitere Male hören. AC/DC, dieses alte Bollwerk aus Sturheit und Unvernunft, sagt Vati zu sich selbst, und fühlt sich von seiner Lieblingskapelle bestätigt. Auch er selbst war immer ein recht sturer Hund und als solcher sowohl im Schrebergarten als auch im Büro gefürchtet.

Auch optisch ist alles beim Alten: Angus Young steckt noch immer in seiner Schuluniform, zumindest bis er sich dieser entledigt, um das restliche Konzert in einer Boxershort zu spielen – eine ganz und gar würdelose Angelegenheit, die heute eine gute Stunde dauert. Der Ton ist eingangs schlecht bis katastrophal, aber das wird etwas besser. Brian Johnson krächzt wie ein kastrierter Hahn, das wird leider nicht besser – aber es ist jetzt auch schon egal. Vati hört Lieder über den Rock 'n' Roll, Lieder über das Lotterleben, das mit diesem einhergeht und hier wiederum Lieder über die Tücken des männlichen Sexualtriebes; allesamt werden sie über auf derbe Riffs gebaute Kulturtechniken namens Hard-Rock oder Rock 'n' Roll und im Falle des zur Abwechslung deutlich gesetzteren Songs „The Jack“ auch über den Blues erzählt.

Nach knapp fünfzig Minuten erklingt „Hells Bells“. Vati und seine Freunde liegen einander in den Armen, Freudentränen versalzen ihr Bier. Jetzt gibt es kein Halten mehr! Außer Hits setzt es bald nur mehr Hits: „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“, „TNT“, „Thunderstruck“ „You Shook Me All Night Long“ oder „Back In Black”. Zu „Whole Lotta Rosie” wird eine Gummipuppe in Gestalt einer, sagen wir, bestens im Fleisch stehenden Trucker-Braut aufgeblasen. Auch hier: Eine ganz und gar würdelose Angelegenheit, ein großer Spaß für alle im Herzen jung Gebliebenen. Gnadenlos sinnloser und alleine schon deshalb großartiger Schabernack.

„Highway To Hell“ und „For Those About To Rock (We Salute You)" bedeuten das Grande Finale. Schade, aber auch Zeit. Vati ist glücklich, nur seine Ohren sind beleidigt. Seine Leber sowieso. Vatis Frau übrigens auch, aber noch weiß sie es nicht.

(Wiener Zeitung, Langfassung Online, 25.5.2009)

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