Tom Jones gastierte in der Wiener Stadthalle mit Evergreens und neuen Songs
Worum sein Œuvre kreist, erklärt Tom Jones in der Wiener Stadthalle mit einem kecken Hüftschwung knapp so: Hechel, sabber, grunz – roarrr! Und alle wissen es: Seit gut vier Dekaden im Showbusiness beglückt der heute 69-jährige Sänger, Entertainer und auf den flotten Macker im zu weit geöffneten Angeberhemd spezialisierte Charakterdarsteller sein Publikum mit bevorzugt phallisch zentriertem Liedgut. Erwecke den Tiger in dir!
Hier, wo das Feuer im Kamin stets lodert, sich Scotch und Eiswürfel im Glas Gute Nacht sagen und der Flokatiteppich zum Tête-à-tête lädt, ist der gebürtige Waliser zu Hause. Sexy-Time ist jederzeit, und die Bedürfnisse lassen im Alter bekanntlich nicht nach.
Im Rahmen eines zunächst recht gediegen als Sitzkonzert angelegten Abends wird auch heute wieder deutlich, dass dem Mann mit der markanten wie live erstaunlich souveränen Stimme der Schalk nicht bloß im Nacken sitzt – auch danach muss weiter unterhalb gesucht werden. Die Damen in den vorderen Reihen sind begeistert und werfen in erregter Verzückung nebst langstieligen Rosen auch reizende Unterwäsche auf die Bühne. Der Tiger kennt das Ritual – es wiederholt sich täglich auf den Bühnen der Welt – und lässt es freundlich lächelnd geschehen. Frei nach Oscar Wilde kann der Sänger nämlich allem widerstehen, nur der Versuchung nicht. Was soll man machen? Die Frisur im Brustbereich hält, das Goldketterl flattert im Bühnenwind; es ist 21 Uhr und ein weiterer gewöhnlicher Arbeitstag im Leben des Tom Jones.
Das Konzert, das der Sänger mit seiner achtköpfigen Band und zwei Background-Sängerinnen als um neues Material erweitertes Best-Of-Programm konzipiert, will vor allem eines: von allem etwas und etwas für alle bieten.
Sex und Soul
Dass darin auch seine größte Schwäche besteht – geschenkt. Schließlich liegen bereits zwischen angeschmalzten Countryballaden wie "Green Green Grass Of Home" und den von Bläsern veredelten Soul-Songs des Sängers Welten. Wie man gegen Ende des zweistündigen Sets plötzlich bei Euro-Dance ("Stoned In Love"), böllernden Techno-Beats und unsubtil quietschenden Sounds aus dem Umhänge-Keyboard angelangt ist, man weiß es nicht. Es tut aber auch nichts zur Sache, immerhin hat Jones als begnadete Bühnenfigur die ganze Halle schon lange für sich gewonnen.
Dass dieser Umstand vor allem auf die nun doch schon etwas angestaubten Hits wie "Delilah", "She’s A Lady", "What’s New, Pussycat?" oder "It’s Not Unusual" zurückgeht versteht sich von selbst. Dabei würde sich Jones mit Songs aus seinem aktuellen Album "24 Hours" durchaus bemühen, dem allzu Nostalgischen ein Schnippchen zu schlagen. Daraus gehörte Songs wie "If He Should Ever Leave You" begeistern mit zeitlos strahlendem Sixties-Soul, der mit Vertreterinnen wie Amy Winehouse oder Duffy heute erfolgreich in die Charts zurückgefunden hat. Toll!
Nach "Sex Bomb" und dem Prince-Cover "Kiss" im Grande Finale geht es dann aber ab in die Heia. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
(Wiener Zeitung, 6.10.2009)
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