Dienstag, Oktober 06, 2009

Weltschmerz mit Federboa

Der britische Barde Patrick Wolf wurde im Wiener WUK gefeiert

Weil Patrick Wolf Teile seines Albums "The Magic Position" 2006 in Wien schrieb, aufnahm und produzierte, fühlt sich der Sänger bis heute mit der Stadt verbunden. Die Menschen, das Erscheinungsbild der Donaumetropole und deren Musiker wären für ihn nichts weniger als prägend gewesen, erzählt der 26-jährige Barde in spürbarer Freude ob seines Konzertes am Montag im ausverkauften WUK. Dass der klassisch geschulte Musiker, auf dessen Konto bereits vier Alben verbucht sind, seinem Publikum reichlich Honig ums Maul schmiert, wird zwar naturgemäß mit viel Jubel bedacht. Nötig gewesen wäre das aber nicht – der in jeder Hinsicht als Heimspiel zu bezeichnende Auftritt wäre ohnehin zum Triumph geraten.

Als Erfolgsrezept dient dem Briten seit seinem Debüt mit "Lycanthropy" im Jahr 2003 bis herauf zur aktuellen Arbeit "The Bachelor" eine Mischung aus kammermusikalischen Streicher-Arrangements mit Folk-Einsprengseln, Frickel-Beats und feinem Elektroknistern. Erweitert um ausufernde Melodiebögen, bedient die Musik zwischen melancholischer Tristesse und vorsichtigen Hoffnungsschimmern ein Gefühl der Sehnsucht, das schon einmal ans Gemüt gehen kann. Wir hören Ansätze von (weißem) Soul und zuletzt auch Gospelchöre. Die solchermaßen veredelte Ballade "Who Will?" eröffnet den Abend dann auch mit erwarteter Grandezza.

Live wird aber auch eines deutlich: Vor allem die sein Werk in Richtung Gesamtkunstwerk treibende Erscheinung des Sängers stellt die Weichen auf Pop als schillernde Wundertüte. Stichwort: Androgyn ist das neue Maskulin. Stichwort: Ziggy Stardust und Martin Gore in seiner Sadomaso-Phase gehen Shoppen! Man kann die Kostümierungen des Sängers als wandelndes Beduinenzelt mit Federboa und römischer Senator in Blattgold sowie seinen Hang zur großen Geste als prätentiös abtun. Man könnte aber auch anmerken, dass der Jungmann bezüglich seiner Qualitäten als Popstar und beherzt in seinen Songs aufgehende Bühnenfigur derzeit nur schwer zu übertreffen ist. Punkt.

Unterstützt von einer vierköpfigen Band, von der vor allem die Dame an der Geige Schwerarbeit zu leisten hat, reicht Wolf mit "Blue Bells", "Damaris" oder "Pigeon Song" Kompositionen, die so schön sind, dass es weh tut. Dazwischen laden "Hard Times", das mit metallischem Industrial-Sound auffahrende "Tristan" oder der fiese Electro-Pop von "Vultures" zum Tanz, ehe der Abend mit Wolfs bisher euphorischstem Popsong hoffnungsfroh mit einer Erkenntnis endet: Das Leben ist ein Dur-Akkord. Darauf ein Bad in der Römersauna!

(Wiener Zeitung, 7.10.2009)

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