Freitag, Dezember 11, 2009

Deine Disco braucht dich!

Franz Ferdinand gastierten in Graz

Als sich Alex Kapranos und seine schottischen Freunde von Franz Ferdinand im Jahr 2004 anschickten, mit ihrem titellosen Debütalbum die prägendste wie kommerziell erfolgreichste Indie-Rock-Kapelle der Nullerjahre zu werden, konnte das Wörtchen "Disco" vor allem in einem Kontext nicht außen vor gelassen werden: Die Disco ist ein Ort ekstatischer Alltagsfluchten, an dem der Bär steppt.

Und während in den 90er Jahren Techno als flotte Marschiermusik zum Tanz durch die Blitzhütte lud, ging es nach dem Millennium hübsch anachronistisch darum, die Verhältnisse zurechtzurücken. Merke: Gott ist kein DJ! Gott hatte schon immer einen weißen ZZ-Top-Bart und stand auf dem "Stairway To Heaven" der Stromgitarre näher als den Turntables.

Franz Ferdinand führten eine Bewegung an, die über kompromisslose Staccato-Gitarren und Bumm-Tschack-Beats aus der Schule des Post-Punk den Dancefloor mit hausgemachter und livetauglicher Musik zurückerobern wollte – und letztlich auch sollte: Meins!

Über ihren hastig nachgeschobenen Zweitling "You Could Have It So Much Better" und die anschließende Tour, auf der sich die Fränze bald selbst langweilig wurden, heißt "Disco" auf dem am Donnerstag in Graz live vorgestellten dritten Streich "Tonight: Franz Ferdinand" aber auch: Der Bass rotiert! Und Donna Summer ist auf ewig die Dancing-Queen. Mit "Lucid Dreams" und "Outsiders" humpelt die Band also eingedenk des geistigen Erbes Giorgio Moroders sanft wehmütig durch die zum Studio 54 mutierte Helmut-List-Halle. Das ist spätestens seit dem Debüt von Hercules & Love Affair und deren als elektronische Musik zur Zeit gedeutetem Disco-Spaß wieder schick – und nicht mehr peinlich.

Während Kapranos als Beau im edlen Zwirn auch optisch erklärt, warum seine Band gerne als "kunststudentisch" bezeichnet wird, dokumentieren Lieder wie "Can’t Stop Feeling" oder "Live Alone" eindringlich vor allem, dass ein guter, alter Sowjet-Synthie namens Polyvoks im Westen zugunsten der Marken Korg und Moog völlig zu Unrecht lange ignoriert wurde. Mit diesem entnommener, zünftig plärrender Unterhaltungselektronik geht es daran, den magischen Geist einer großen Partynacht einzufangen. "Then suddenly you know/You are never going home!" heißt es folgerichtig in "Ulysses". Das Morgen graut wieder einmal immer nie. Und wenn doch: Egal!

Aber auch der "schwarze" und bei Franz Ferdinand eher naseweis klingende Funk hat sich ins Werk geschlichen: Wir hören es bei "No You Girls" und werden später Zeugen einer ersten Bachelor-Arbeit im Fach "Afrikanische Polyrhythmik oder so". Franz Ferdinand bitten zum Jam an den Trommeln.

Davor, dazwischen und danach setzt es Generationshymnen wie "The Dark Of The Matinee", "This Fire" oder "Do You Want To" als mit Hang zum immanenten Systemfehler geballerte Rock-Sause der Neigungsgruppe Greatest Hits. Nach gut fünf Jahren im Geschäft wurde es dafür aber auch wirklich Zeit. Alle sind begeistert, "Take Me Out" ist übrigens noch immer ein Welthit. Aber der Konfetti-Regen hat gefehlt!
(Wiener Zeitung, 12./13.12.2009)

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