Über den Zustand der Musikindustrie anno 2009 wurde bereits ausführlich geschrieben. In aller Kürze lassen sich die Entwicklungen der letzten Jahre am besten über ein Album der Nine Inch Nails beschreiben: Wir haben es mit einer regelrechten "Downward Spiral" zu tun. Beziehungsweise mit einer Skala, der nach unten hin keine Grenzen mehr gesetzt sind. Sprich: Unten ist das neue Oben. Oben ist die Luft sehr dünn. Und Sauerstoffmasken sind die ersten Opfer des Rotstifts.
Konkret hat man sich als Musikjournalist schon lange daran gewöhnt, Rezensionsexemplare im schlanken Pappschuber und ohne jedwede Begleitinformation wie etwa die nicht ganz unentscheidenden Songtexte zu erhalten. So man nicht, wie vom krisengebeutelten Unterhaltungsriesen EMI, bevorzugt mit MP3-Streams in mäßiger 128 kbps-Codierung abgespeist wird. Unfreundliches Marketing regiert diese Welt. Dafür sind wir alle radikal amikal eingestellt und gleich immer per Du! Was zählt ist die Stimmung, und Euphemismen sind der Branche fremd. "Freundliche Übernahme" und "Friendly Fire" – die Diktion der immer anderen.
Alles hin, hin, hin? Alles egal. Manchmal wird man mit nachgeradezu grotesken Ereignissen aber immerhin noch bestens unterhalten. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und Humor ist vor allem ein psychologischer Schutzwall, der etwaige Verzweiflungstränen auch anderweitig deutbar macht.
Unlängst versicherte mir ein Musik-Vertrieb, mich mit dem neusten Werk einer Band zu versorgen, deren Konzert besprochen werden wollte. Neun Tage nach dem netten Mail-Verkehr finde ich das Paket – Freude! – zwar auch in meinem Postkasten. Der Inhalt besticht aber nicht bloß mit einer völlig anderen, sprich falschen CD. Beigelegt sind neben einer Werbung für das Versicherungs-Unternehmen meines Misstrauens sowie der Bestätigung über einen angeblich "ersteigerten Ebay-Artikel" auch eine Rechnung über $ 34,99, die der US-amerikanische Buch-Versand Barnes & Noble einem mir nicht näher bekannten indonesischen Landsmann ausstellte.
Die Frage lautet jetzt natürlich: Hä? Was um Gottes Willen? Wie, warum, und nochmals: Hä? Eines aber ist gewiss: Die Musikindustrie wird sich gewaltig anstrengen müssen, um sich selbst noch einmal zu überbieten. Überbieten ist das neue Unterbieten. We love to entertain you? Bitte gerne. Mein Postfach wartet!
(Wiener Zeitung, 17.12.2009)
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