Neil Tennant und Chris Lowe, besser bekannt als Pet Shop Boys, gastierten im Wiener Gasometer
Was ist Pop? Auch und vor allem über das Werk der Pet Shop Boys lässt sich diese Frage in zweierlei Hinsicht beantworten. Wir haben es mit einer Spielform zu tun, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch über ihren Bezug zu Kunst, Mode oder Design zu einem genuinen Referenz- und Zeichensystem anwuchs, um anerkanntes Kulturgut zu werden. Einerseits.
Andererseits bedient Pop – der Name impliziert es bereits – mit auf Oberflächenglanz polierter "Gebrauchsmusik" einen Massenmarkt, der sich in den Charts widerspiegelt und begierig vor allem eines fordert: Schicke Ware für die Saison, gedacht zum gachen Herreißen. Wenn dabei ganz beiläufig auch ein Hit für die Ewigkeit abfällt – würdig und recht!
Kulturelle Akzeptanz, kommerzielle Verwertbarkeit: Kaum jemand bewegt sich geschickter zwischen diesen beiden Polen als Neil Tennant und Chris Lowe, die seit 1981 als Pet Shop Boys agieren und mit bittersüßen Dancefloor-Hits wie "It’s A Sin", "West End Girls" oder "Can You Forgive Her?" nichts weniger als synonym für Pop stehen. Ob man nun will oder nicht: vor diesen Songs gibt es kein Entrinnen. Sie sind für immer und alle Zeit irgendwo im Großhirn gespeichert und von dort aus jederzeit abrufbar. Siehe auch: Die Hookline siegt, der Refrain war stärker!
Optischer Zierrat
Bei allem also gebotenen Respekt muss man nach dem Konzert im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Wiener Gasometer am Mittwoch aber auch eines festhalten: Live mögen die Boys zwar ihre Die-Hard-Fans befriedigen. Der gute Rest darf beim nächsten Mal aber gerne zu Hause bleiben, eine Best-Of-Zusammenstellung auflegen und im Hintergrund den Kinderkanal laufen lassen – es hätte denselben Effekt.
Während Neil Tennant sich mit seiner zärtlichen Götterstimme wahlweise in Abendrobe, Krocha-Tracht oder als königlicher Zeremonienmeister durch das Set croont, tupft Chris Lowe als einziger Musiker auf der Bühne alle zehn Minuten eine Melodie auf. Und wenn er seine Schaltkanzel zwecks Disco-Dancing einmal verlässt, dann spielt diese ganz alleine weiter!
Während einer Konzertdauer von gut 100 Minuten reihen Tennant und Lowe Hit an Hit, Kopfbekleidung an Kopfbekleidung. Am Anfang ziehen sich die Beiden lustige Kuben über das Gesicht, gegen Ende trägt Lowe eine Topfpflanze am Haupt, ehe er beim abschließenden Weihnachts-Clubbing als flotter Wedler aus dem Tiroler Hinterland mit einem Stirnband, das an Hansi Hinterseers Zottelfellstiefel erinnert, zum Après-Ski lädt. Die vier mitgebrachten Ausdruckstänzer wiederum verkleiden sich als Disco-Mutanten, Wolkenkratzer aus Pappkarton – und herzallerliebste Weihnachtsbäume.
Wir hören Schlager für Fortgeschrittene als wahlweise um optischen Zierrat behübschtes wie Augenkrebs evozierendes Dosenbrot. Nach Hits wie "Suburbia", "Being Boring", neuem Material wie "Pandemonium" oder "Building A Wall" sowie der grandiosen B-Seite "Do I Have To?" läutet Konfetti-Regen das Ende ein. Schade, aber auch höchste Zeit. Wie heißt es in "Love etc." doch so schön? "Too much of everything is never enough!"
(Wiener Zeitung, 4.12.2009)
Donnerstag, Dezember 03, 2009
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