Dienstag, Mai 18, 2010

Keine Tränen mehr

Black Rebel Motorcycle Club begeisterten in der Wiener Arena

Wie schnell man sein Herz verliert – und an wen man das am besten tut – erklären Black Rebel Motorcycle Club in der Wiener Arena beiläufig, aber präzise: "I fell in love with the sweet sensation. I gave my heart to a simple chord. I gave my soul to a new religion.. ."

Es geht um eine Kirche namens Rock’n’Roll, der zum Auftakt der Open-Air-Saison gehuldigt wird. Und der man – Regen hin, Kälte her – von Song zu Song zunehmend verfällt.

Wir haben es bei Robert Levon Been und Peter Hayes an den Gitarren sowie ihrer Schlagzeugerin Leah Shapiro mit einer Band zu tun, der die Kunst der Verführung noch etwas wert ist. Während also bereits vor Konzertbeginn mit zugespielten Blues-Hadern die Vorzeichen auf ein Bad in der Ursuppe der Rockmusik gestellt werden, beginnt die Band ihre zweistündige Entfesselungsshow zwischen alten Gassenhauern wie "Love Burns", "Red Eyes And Tears" und neuen Weltscheiben von "Beat The Devil’s Tattoo" bis "Mama Taught Me Better" am Klimax, um von dort weg nur besser zu werden.

Mit zerkratzt grummelnden Riffs und der Betonung auf viel Bass geht es über ein beherztes "Boing", "Bumm", und "Tschack" ab in eine Zwischenwelt, die sich zwar über ihren ungehobelten Gestus aus verdrogter Psychedelik und dem Geist nicht mehr allzu junger Männer bestimmt, die sich unfrisiert durch ihre alten Lederjacken schwitzen. Allerdings sind Black Rebel Motorcycle Club dabei nicht etwa das schattenseitige Böse oder auch nur die wilden Kerle auf großer Fahrt, auf die diese Beschreibung schließen ließe. Die Band trägt ihr Herz am rechten Fleck, lässt gerne auch berührende Melodiebögen aus ihren Walls Of Sound ragen – und bedankt sich artig für die Zuneigung, die ihr das Publikum entgegenbringt.

Im Gegensatz zu den White Stripes, die das Revival der grob behandelten Sechssaiter mit einem Schwerpunkt auf Vergangenheitsbewältigung Ende der 90er Jahre einläuteten, greifen BRMC aber nicht nur auf den Blues zurück. Während sich die Band mit ihrem Album "Howl" im Jahr 2005 kurzfristig neu erfand, um sich an Folk, Country und Gospel abzuarbeiten, verströmen einzelne Songs den Geist von Post-Punk oder eines wie auch immer definierten Alternative Rock. Live dargebotene Songs wie "Berlin" oder das besagte "Mama Taught Me Better" stammen aus dieser Richtung. Vor allem aber auch die Nachwehen der Shoegaze-Bewegung (The Jesus and Mary Chain etc.) sind nicht zu überhören. Dazu wird mit Echo, Hall und Feedbacks an psychedelischen Soundschlieren gearbeitet, dass man vor Freude aufschreien möchte.

Zu wahlweise zackig nach vorn preschenden ("Six Barrel Shotgun") und lässig geschlenzten Grooves ("Half-State") wird in der Tradition der alten Bluesmänner aber auch eines nicht vergessen: Jammern bedeutet Befreiung. Katharsis heißt: Keine Tränen mehr. "Red eyes and tears / No more for you my love I fear. No more fear / I’m in love". Ein großer Abend!

(Wiener Zeitung, 19.5.2010)

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