Stadthalle: US-Country-Urgestein Willie Nelson gastierte in Wien
Mit Willie Nelson ist es heute so: Konzertbeginn ist pünktlich zur Primetime. Mit 77 Jahren muss man nicht mehr jede Nacht zum Tag machen. Das war früher, und es war gut.
Das Entscheidende: Willie Nelson, der letzte große Mann des Country, "Outlaw" von einst als Rebell gegen Nashville, Cowboy, Indianer und Hippie im Herzen, lässt sich nicht unterkriegen. Und er beweist in der Wiener Stadthalle F, dass im Alter noch einiges geht.
Ausdauernd nicht nur im Kampf gegen Steuer- und Drogenfahndung, steht der Sänger heute im siebten Jahrzehnt seiner Karriere. Nach ersten Versuchen als Songwriter in den 50er Jahren, Hits für Kollegen von Faron Young bis Roy Orbison und seinem Durchbruch als Solokünstler, spätestens mit "Red Headed Stranger" im Jahr 1975, ist Nelson nicht mehr zu stoppen. Bis heute erscheint jährlich mindestens ein Album, und junge Kollegen zollen dem Mann mit den Zöpfen Tribut. Von Phosphorescent über Carla Bozulich bis hin zu Ryan Adams, mit dem Nelson auf seinem Album "Songbird" kollaborierte.
Im Konzert mag es heute gemächlich zugehen, aber das macht nichts. Mit seiner fünfköpfigen Band, darunter Drummer Paul English, der sich mit einer einzigen Snare zufrieden gibt und diese zart mit dem Beserl umstreicht, begibt sich Nelson auf Zeitreise.
Die große Weisheit des kleinen Mannes
Worum es dabei geht, nehmen die Titel vorweg: Willie ist der "Man With The Blues", der im "Whiskey River" ein Bad nimmt, um später mit der "Good Hearted Woman" in die "City Of New Orleans" aufzubrechen. Es geht um Abschiede, gebrochene Herzen, Erinnerungen und darum, keine Erinnerung mehr zu haben, weil man sich schon wieder um den Verstand gesoffen hat. Es geht um die große Weisheit des kleinen Mannes und darum, nie aufzugeben – am Ende ist man immer "On The Road Again". Die mit Willie gealterten Cowboys sitzen wieder im Publikum und vergießen Freudentränen ins Westernhemd.
Jeder Musiker bekommt seine Soli, und ganz generell ist das Konzert mitunter jazzig – was nur beweist, dass Nelson nie nur auf einer Baustelle zu Hause war. Neben alten Klassikern wie "Funny How Time Slips Away" oder "Blue Eyes Crying In The Rain" setzt es einen Block zu Ehren Hank Williams, sowie mit "To All The Girls I’ve Loved Before" eine Hommage an Julio Iglesias. Aber auch das macht jetzt nichts mehr, Nelson erntet stehende Ovationen und beginnt noch während "I Saw The Light", Autogramme zu schreiben. Ehret das Alter!
(Wiener Zeitung, 22.6.2010)
Montag, Juni 21, 2010
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